update: 15-Jul-2004

Unfallkrankenhaus Berlin

"Da sind plötzlich alle Werte völlig in Frage gestellt....!"
- Fassungslosigkeit und Betroffenheit nach einer Pressekonferenz
zum tragischen Sportunfall des Turners Ronny Ziesmer

- von Eckhard Herholz, GYMmedia


E. Herholz

Das Unbegreifliche....
Nein, eine Pressekonferenz im herkömmlichen Sinne war das nicht, auch wenn vom Unfallkrankenhaus Berlin offiziell dazu eingeladen wurde.
Und hier versagt auch die alleinige Pflicht des Journalisten als bloßer Berichterstatter von Ereignissen.
Niemand der anwesenden unmittelbar oder mittelbar betroffenen Trainer,
Funktionäre, Journalisten und Freunde des tragisch verunglückten Cottbuser Spitzenturners Ronny war auch nur annähernd in der Lage, das Unbegreifliche zu verarbeiten...

Zunächst zu den traurigen Fakten, zu denen der ärztliche Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin und Direktor für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Prof. Dr. Walter Schaffartzik, Stellung nahm:

Durch den Unfall Ronny Ziesmers nach dem Versuch eines Tsukaharasprunges mit nachfolgendem, leider unvollendetem, Doppelsalto rückwärts und Landung im Kopf/Nackenbereich auf der Matte, zog sich der Turner Brüche im Bereich der 5./6. Halswirbel zu, die auch zur Verschiebung und Zerstörung der Zwischenwirbelscheibe führten und dadurch eine Verletzung des Rückenmarks eintrat.

Bereits am Unfallort traten Lähmungserscheinungen der Arme und Beine ein.
Nach sofortigem Transport ins Unfallkrankenhaus Berlin per Hubschrauber wurde unverzüglich eine die Wirbelsäule in diesem Bereich stabilisierende Operation durchgeführt. Dank intensivmedizinischer Behandlung konnte so bisher eine maschinelle Beatmung verhindert werden.
Nach Mitteilung des Oberarztes des Behandlungszentrums für Rückenmarksverletzungen im ukb, Herrn Oberarzt Stephan Becker, ist allerdings zu erwarten, dass die Lähmungen bleiben werden.......

ukb_pk

Pressekonferenz (v.l.):
Prof. Dr. Walter Schaffartzik, DTB-Präsident Rainer Brechtken,
Bundestrainer Andreas Hirsch,
Sportdirektor Wolfgang Willam,
Dr. Andreas Niedeggen,
OA Stephan Becker

DTB-Präsident Rainer Brechtken, der Minuten vor der "Pressekonferenz" Gelegenheit hatte, Ronny Ziesmer an seinem Krankenlager zu besuchen und ihn kurz zu sprechen, drückte die tiefe Betroffenheit aller unmittelbar und mittelbar Betroffenen aus.
Erstrangig unterstrich er die hohe Qualität der Kette von Erstversorgung bis hin zur derzeitigen medizinischen Betreuung des Verletzten und sprach den Verantwortlichen des ukb auch seinen Dank für die beispielhafte Kommunikation auch im Einvernehmen mit dem Patienten aus.
Brechtken betonte, dass es sich bei dem Sprung, der zum Unfall führte, letztlich nicht um eine unverantwortliche sportliche Forderung handelte, sondern um eine Schwierigkeit, die der Athlet bereits zu Wettkämpfen wie EM, Olympiaqualifikation und Deutscher Meisterschaft athletisch wie technisch-koordinativ voll beherrscht hatte und dass es in dieser Phase der unmittelbaren Olympiavorbereitung ausschließlich um die Stabilisierung und Verfeinerung beherrschten Übungsgut ging.
Der DTB-Präsident kündigte die vollste Solidarität des Sportverbandes mit Ronny Ziesmer und seiner Familie an, ohne zu diesem Zeitpunkt konkrete Einzelmaßnahmen und Vorhaben nennen zu wollen.
Sportdirektor Wolfgang Willam verwies auf die Frage von Journalisten bezüglich versicherungstechnischer Absicherung auf die Tatsachen, dass Ronny als Angehöriger der Bundeswehr bei diesem "Unfall im Dienst" vollen Versicherungsschutz genieße, und auch der DTB für zusätzliche Versicherung gesorgt habe...

Bundestrainer Andreas Hirsch, der von allen Anwesenden den engsten Kontakt zu dem Verunglückten, wie auch zu allen Athleten des Olympia-Auswahlkaders hatte, versagte fast die Stimme, als er "von dem schwärzesten Tag auch in meinem Leben" sprach.
Er und seine Trainer im Olympia-Trainingslager Kienbaum "... stehen nahezu vor einem totalen Werteverlust...was gestern noch erstrebenswert war, ist heute gleich Null...! Natürlich stehen wir nun im ständigen Kontakt, müssen reden, um diese eigentlich unfassbare Situation zu meistern... jeder muss es nun auf seine, individuelle Art verarbeiten.
"Eigentlich widerstrebt es mir jetzt, wo es eigentlich voll und erstrangig um Ronny geht, über die "anderen" zu sprechen... aber wir müssen nun die Ängste und Gedanken jedes einzelnen Sportlers kennen und achten. Natürlich wollen die Athleten nach Athen, aber sie haben nun alle gewaltig Probleme damit, mit einem Ziel, das sich auch Ronny - Leistungssportler durch und durch - immer selbst gestellt hatte."
Hirsch, der auch Leistungssportler zu DDR-Zeiten in erster Reihe war, kann somit alles, was nun in den Köpfen seiner Turner vor sich geht, voll nachvollziehen.
So wird man in dieser Situation erst in den nächsten Tagen und Stunden entscheiden, wie man mit dem am kommenden Samstag eigentlich geplanten Länderkampf in Schwäbisch Gmünd gegen Rumänien und gegen Italien umgehen wird.
"Natürlich wollen wir diesen Wettkampf machen, weil wir glauben, dass dies auch Ronny so will, aber wir werden keinen der Turner dazu verpflichten. Die nächsten Stunden und zwei Tage werden es erbringen, ob sich die Athleten in eigener und freier Entscheidung selbst diesem Einsatz stellen wollen."

Dies ist auch die Haltung von Sportdirektor Willam, der ausdrücklich dem Bundestrainer seinen Dank für den persönliche Bewältigung des Krisenmanagements aussprach und davon ausgeht, dass Hirsch auch die deutsche Olympiamanschaft betreuen wird und alle Beteiligten trotz schwierigster Situation dahingehend motivieren kann.
Oberarzt Stephan Becker, der auch von der sofortigen psychologischen Betreuung durch Spezialisten seiner Einrichtung berichtete, sprach von der nicht weniger wichtigen Hoffnung auf ein erfülltes Leben auch mit einer wohl nun unabwendbaren Behinderung, so schmerzhaft diese Tatsache von Ronny und all jenen, die ihm nahe stehen, wohl zu verarbeiten sein wird.
So sollte die momentane Fassungslosigkeit ob der Härte des Schicksals schnell abgelöst werden durch alle möglichen Maßnahmen und solidarischen Hilfen des Machbaren, um Ronny eine bestmögliche Zukunft unter den unabänderlichen Umständen zu sichern!
Eckhard Herholz, gymmedia

ukb
Hier sind mutmachende Online-Grüße als ukb-Service an Ronny möglich"

zies1
... dafür steht auch das Gästebuch des SC Cottbus zur Verfügung!


schaff
Prof. Dr. Walter Schaffartzik:
"Nach medizinischem Ermessen ist absolut nicht damit zu rechnen, dass sich daran noch etwas ändert",

Schlimme Gewissheit:
Olympia-Turner Ziesmer bleibt nach Trainingsunfall gelähmt 
 

 "Wir können ihm nicht die Hoffnung geben, dass er wieder gehen kann", erklärte Andreas Niedeggen, der Chef des Rückenmark-Zentrums im ukb.



Schaffartzik, Brechtken während der Pressekonferenz



... Andreas Hirsch beim wohl schwierigsten Interview seiner Laufbahn!

Ziesmer selbst sei nach Angaben der Ärzte umfassend über seine Situation informiert. Sowohl das ukb als auch der Deutsche Turnerbund (DTB) haben ihm Psychologen zur Bewältigung des Unglücks zur Seite gestellt. Wann der 24-Jährige die Intensivstation verlassen und mit der Rehabilitation beginnen kann, ist unklar.


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