Geschichte des Ringeturnens
Verhältnismäßig jung im turnerischen Wettkampf sind die am Seil hängenden, ursprünglich zum Schaukeln bestimmten Ringe. Die früher übliche Bezeichnung "römische Ringe" weist auf die ältere Form der Seil- und Stangenschaukeln der Artisten und auf möglichen italienischen Ursprung hin.
Als "Ringeschwebel" wurden sie 1842 von Adolf Spieß erstmals in seiner "Turnlehre" beschrieben. Jahns Schüler Eiselen führte das Schaukelreck in das Turnen ein. Bei ihm stellten sich die späteren Ringe noch als dreieckige, triangelförmige Griffe dar. Tat sich die deutsche Turnerschaft mit den still hängenden Ringen schwer, ging hier die Entwicklung vor allen Dingen in den romanischen und den  Benelux-Ländern voran.
Heute ist Ringeturnen Ausdruck der Synthese von ausgeprägter Athletik und harmonischer Dynamik....


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Von "fliegenden Menschen" an Schaukelringen 
zu atemberaubender Athletik zwischen Himmel und Erde

Liegen die Wurzeln der Geräte Barren, Reck und Pferd vor allen Dingen in Deutschland, taten sich deren Gerätturner jedoch mit dem Gerät Ringe schwer... 
Die "großen Drei" der deutschen Turngeschichte - GutsMuths, Vieth und Jahn kannten das Gerät noch nicht. So soll erst Adolf Spieß (1810 - 1858) die Ringe als Schaukelgerät eingeführt haben, das er "Ringeschwebel" nannte. Im Lehrbuch des Jahn-Schülers Eiselen (1847) waren Ringe abgebildet, die statt der runden Ringe noch dreieckige, triangelförmige Griffe (Bügel, Triangel) besaßen. Gebräuchlich war auch der Begriff "Bügelübungen".
Auch als das Wett-Turnen im 19. Jahrhundert in Deutschland immer beliebter wurde, hielt es noch längst keinen Einzug in die Wettkampfübungen und wurde vorwiegend an Schulen gepflegt. Die Schaukelringe dominierten.

Anders in den romanischen und in den Benelux-Ländern, die auch wesentlich an der Bildung des 1881 gegründeten Internationalen Turnerbundes beteiligt waren: So bestimmten sie auch die ersten Wettbewerbe, so das in Antwerpen (Belgien) 1903 durchgeführte internationale Turnier, welches postum zur ersten Weltmeisterschaft der Geschichte erklärt wurde. Hier tauchten auch die Ringe auf, sowohl mit der dreieckigen Form, aber auch bereits mit den runden Ringen.
Noch 1905 in Bordeaux und 1907 in Prag konnte man sich jedoch nicht einigen, ob man an den schaukelnden oder den stillhängenden Ringen turnen sollte:
Die Wettbewerbe fanden einfach nicht statt ...



"Ringeschwebel"

Auch nach 1920 war es in deutschen Turnvereinen noch längst nicht üblich, selbst die Schaukelringe zu verwenden.
Die Ringe bestanden damals zunächst aus Eisen, waren mit Faden umwickelt und mit Leder überzogen. Aber es wurden schon Ringe aus Holz, aus Korbgeflecht und sogar aus Hartgummi beschrieben. Von mehrfach verleimten Holzringen, wie später üblich, war noch keine Rede.


Ringeturnen 1928 in Nürnberg:
Hanfseile und Eisenringe

Der Durchmesser der Ringe betrug 13 - 15 cm, ihre Dicke bei Eisen 20 mm, bei Holz 25 - 30 mm. "Sie stammen aus Italien und sind dort von Künstlern wahrscheinlich schon zur Römerzeit benutzt worden: daher ihr Name "römische Ringe" (R.Gasch, 120, "Handbuch des Turnens").
Bei den Spielen der VIII. Olympiade 1924 in Paris tauchten die Ringe nach 20 Jahren wieder als  Einzelgerät im olympischen Programm auf. Relativ große Ringe mit großem Durchmesser hingen an einem massiven, hölzernen Gerüst. Drehgewinde als Aufhängung waren noch nicht bekannt. Separate Gerätefinals waren allerdings noch nicht üblich, es zählte die Einzelleistung aus dem Mehrkampf. Francesco Martino aus Italien steht somit als erster  Ringebester im olympischen Protokoll. 

Vier Jahre später war es der Slowene Leon Stukelj, der Gold in Amsterdam holte und bereits damals mit dem ersten Kopfkreuz und idealen, waagerechten Armen verblüffte.


Leon Stukelj -Kopfkreuz in den zwanziger Jahren

 

Noch zu den Olympischen Spielen 1936 bestanden die Ringeseile durchgehend aus Hanfstricken. Doch gab es bereits damals bessere Konstruktionen, bei denen der untere Teil aus Lederriemen gestaltet war, welche den Druck besonders am Ende des Schleuderns elastisch abminderten; so beobachtet 1936 bei einem Länderkampf in Polen. Immerhin treten beim Durchgang durch die Senkrechte Kräfte auf, die im Schulterbereich das 7 - 8 Fache des Körpergewichts ausmachen können, so dass dies eine enorme Verringerung des Verletzungsrisikos bedeutete.

Die in den dreißiger Jahren üblichen Stahlrohrgerüste hatten auch noch in den Fünfzigern das gleiche Aussehen und die gleiche Verspannung; die Lederschlaufen im unteren Teil waren aber bereits üblich. 
Zur Weltmeisterschaft 1954 in Rom tauchte im oberen Teil erstmals das Stahlseil auf, im Mittelteil gab es Verstellmöglichkeiten.

Zur Verringerung der Seitwärtsschwingungen des bis dahin rechteckigen Gerüstes führte der deutsche Gerätebauer Richard Reuther 1956 die in der Mitte abgeknickten und nach innen geneigten Senkrechten Stützen ein. Somit ergab sich oben eine nur halb so lange Querstrebe, wodurch sich störende Horizontalschwingungen wesentlich reduzieren ließen. Trotzdem dauerte es noch bis in die Mitte der sechziger Jahre, bis sich das System Reuther durchsetzte. In den Siebzigern waren dann statt der Hartholzringe im Normenbuch von 1974 Schichtholz (verleimt) vorgeschrieben, und statt der Maximalbelastung von 250 kp (1965) schrieb die FIG zehn Jahre später 400 kp vor, bei der es noch zu keiner Formveränderung kommen durfte.

 


Weltmeister 1954 und 1958:
 Albert Asarjan (URS)


"Barcelona"
Modernes WM-Wettkampfgerät 2001

Da hatte sich das früher durch vorwiegend statische und Kraftelemente geprägte Turnen an diesem Gerät längst zu einem hochdynamischen, schwungvollen Ringeturnen entwickelt:


Michail Woronin 1966

Spätestens seit den Riesenfelgen mit gestreckten Armen, die nach ihrem Erfinder Michael Woronin, dem Weltmeister von Dortmund 1966, auch "Woronin-Felgen" genannt werden, war das Tor zu atemberaubenden Wechseln zwischen Superathletik der Kraftelemente und rasanten Schwungtechniken aufgestoßen, die bis hin zu früher für unmöglich gehaltenen Abgangsschwierigkeiten führten, wie zum ersten Doppelsalto rw. gebückt eines Eberhard Giengers zur EM 1971, des Doppelten vorwärts des Polen Andrzej Szajna zwei Jahre später in Grenoble, bis hin zum Doppelsalto gestreckt eines Nikolai Andrianow zum Weltcup in Oviedo (1977) oder gar zum ersten Dreifachsalto des Ringe-Europameisters von 1981 in Rom, Juri Koroljow....!

Nach dem Jahrhundertturner Juri Chechi - 5maliger Weltmeister und 2facher Ringe-Olympiasieger der neunziger Jahre - sind es solche Athleten wie der Grieche Dimosthenes Tambakos, der Bulgare Jordan Jowtschew oder Weltmeister und Olympiasieger Szilvester Csollany aus Ungarn, die die Weltspitze bestimmen.

< Geturnt wird zur WM 2001 in Ghent am J&F-Hochleistungs-Ringegerüst "Barcelona", FIG-diplomiert und ausgestattet mit innovativen und patentierten Dämpfungselementen, die weitgehend Belastungsspitzen reduzieren.

Sources/Quellen: "Der Vorturner", 1927/28; "Das Turnjahrhundert der Deutschen", Götze/Herholz: Beckmanns Sportlexikon A-Z, Leipzig, Wien 1933; "Deutsche Turnzeitung", 1901; "Neue deutsche Turnzeitung", 1961, J. Leirich; "Geschichte der Turngeräte", J. Göhler/R. Spieth; "Mondsalto", gymbooks Verlag 1994, A. Götze/J. Uhr; "FlickFlack...", Sportverlag Berlin, A .Götze/H.-J. Zeume; "The History of British Gymnastics", 1988 by BAGA.

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