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(29-04-1999)

"Völkische Thesen" - Jahnschule will anderen Namen
Schulkonferenz: Gedankengut nicht mit Leitzielen der Pädagogik vereinbar
Von MATTHIAS SCHMOOCK

Wirbel an der Jahnschule:
Die profilierte Gesamtschule an der Bogenstraße (Eimsbüttel) will nach 65 Jahren ihren Namen ablegen - so hat es die Schulkonferenz bereits beschlossen. Grund für den ungewöhnlichen Schritt: Die "völkisch geprägte Gedankenwelt" von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (1778 bis 1852) stehe im krassen Gegensatz zu den Leitzielen der Schule. Die lauten unter anderem so:
"Wir wollen miteinander offen sein für die Vielfalt von Fremdem und Neuem", und:
"Wir wollen uns einsetzen für solidarisches Miteinander und gewaltfreie Lösung von Konflikten."
Tatsächlich will der martialische Vorturner, den schon der Historiker Heinrich von Treitschke einen "lärmenden Barbaren" nannte, nicht recht zu diesen Leitsätzen passen - vor allem nicht etliche seiner eigenen Sätze. "Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum schmähen", hat der markige Rauschebart einst gedroht, und zur Turnerei dürfe überhaupt nicht kommen, wer "Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt".
Das sind zwar Einzelsätze, losgelöst aus Jahns Gesamtwerk und vor mehr als 150 Jahren geschrieben, aber die Schule will trotzdem endgültig nicht mehr damit in Verbindung gebracht werden. Schulleiterin Christa Carl zum Abendblatt: "Es geht hier nicht darum, Bilderstürmerei zu betreiben. Die Umbenennung ist Teil unserer  eigenen Identitätsfindung."
Als große Belastung wird es vor Ort auch empfunden, dass die Jahnschule unter den Nationalsozialisten gerade wegen ihres Namens besonders stark vereinnahmt wurde. "Die Jahn-Schule trägt schon in ihrem Namen die hohe Verpflichtung, in ihrer Arbeit die Erziehungsgrundsätze neu zu wecken (...) in dem umfassenden Rahmen einer bewusst vaterländischen und völkischen Erziehung und Ausbildung (...)", tönt es in einer Festschrift von 1938, ausgegraben im Staatsarchiv. Und in einem Schreiben von 1935 beschwert sich ein Kreisleiter darüber, dass noch zirka 40 bis 50 jüdische Kinder an der Jahnschule unterrichtet würden, schließlich sei die doch "nach einem ersten Vorkämpfer für ein völkisches Deutschland" benannt. Wie sich diese "Verpflichtung" auf den Alltag der Schüler auswirkte, berichtete als Zeitzeuge der Hamburger Autor Uwe Storjohann, Jahnschüler der ersten Stunde, jetzt anlässlich einer Diskussion in der Schule. "Kübel von Beschimpfungen" hätten leistungsschwächere Turnschüler um 1935 über sich ergehen lassen müssen, Kasten, Barren und Reck seien ihm "wie Folterinstrumente" vorgekommen. Immer wieder seien die Kinder streng ermahnt worden, es dem Namenspatron gleichzutun, der Turnunterricht habe sich mehr und mehr zu Übungen auf dem Kasernenhof entwickelt.
In derselben Diskussion beglückwünschte der Hannoveraner Sportwissenschaftler Prof. Lorenz Peiffer die Schule zur Entscheidung der Umbenennung. Zwar sei Jahn sicherlich kein Nationalsozialist gewesen, aber seine völkisch-rassistischen Thesen gehörten zweifellos zu seiner Biographie. Die Diskussion über die Umbenennung sei "ein wichtiger, mutiger Beitrag zur politischen Bildung".
Die Namenssuche läuft an der Schule auf Hochtouren, eine entsprechende Ausschreibung endet bereits morgen. Gesucht wird ein Personen- oder Stadtteilname. Ein Mensch, nach dem die Schule benannt werden könnte, muss sich unter anderem politisch oder sozial engagiert haben und Hamburg verbunden sein. Eine inoffizielle Liste gibt es bereits, aber entschieden wurde noch nichts. Zu
möglichen "Anwärtern gehören: Hannah Arendt, Erich Fried, Ida Ehre, Heinrich Heine, Joseph Carlebach und Hans Henny Jahnn. Als Stadtteilname wird unter anderem "Gesamtschule am Grindel" gehandelt. Zeitzeuge Storjohann überraschte sein Auditorium mit einem eigenen Vorschlag: Carl von Ossietzky. Nach dem ist in
Hamburg allerdings schon ein Gymnasium in Poppenbüttel benannt. Die abschließende Entscheidung trifft die Schulkonferenz vor den Herbstferien.
 (Hervorhebungen: GYMmedia)
  •  Im Jahr 1997 stellte die Schulleitung einen Antrag auf Umbenennung der Schule, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Schüler, Lehrer und Eltern sammelten nun mögliche Namen für Ihre Schule. Zunächst wurde der Name „Gesamtschule am Grindel“ bevorzugt, aber 1999 fand die Abstimmung über den neuen Namen statt, wobei die Umbenennung auf den Namen von Ida Ehre gewann.
    Jedoch kam es zu Verfahrensfehlern, und die Wahl wurde am 7. Dezember 2000 wiederholt und mit Zustimmung der Schulbehörde abgeschlossen.
  • Am 15. Juli 2001 wurde die Schule dann offiziell in Ida-Ehre-Gesamtschule umbenannt.

Kurios:
Wo liegen die eigentlichen Probleme Hamburger Sportpädagogik oder
Womit sich Schulkonferenzen primär zu beschäftigen hätten...!!
... denn der gleichen Ausgabe des hamb_abendblatt.gif (654 Byte)s  vom 29.4.1999 waren über die aktuellen Probleme sportlicher Erziehung in der Hansestadt auch folgende Artikel zu lesen:

Weniger Schulsport in Hamburg
Diffuser Vorstoß

Von CHRISTOPH RIND

Viele Lehrer und die meisten Eltern in
Hamburg sehen rot, wenn in der Hamburger Schulbehörde mal wieder neue Direktiven ausgebrütet werden. Denn allzu oft hat die glück- und geschicklos agierende Senatorin Rosemarie Raab (SPD) schon den Schulalltag verändert, ohne dass sich etwas zum Guten hin gewandelt
hat. Was oft in ehrenwerter Absicht
ausgedacht erschien, verhedderte sich
sehr bald im Widerstreit der Interessen.
Was bleibt, ist die Misere:
Unterrichtsausfall, Reparaturstau und
Lehrer, die sich über Mehrarbeit
beklagen. Jetzt soll nach den Sommerferien der Schulsport in einigen Jahrgangsstufen gekürzt werden. Die aufgeregten Kritiker - selbst Mediziner warnen vor weniger Sportunterricht - werden von der Schulbehörde auf ein Hintertürchen verwiesen: Die Schulkonferenzen, bestehend aus Lehrern und Elternvertretern, könnten im Rahmen der "Flexibilisierungsstundentafel" ja anders
beschließen und die Sportstunden an
"ihrer" Schule wieder auf den alten Stand aufstocken. Warum das Ganze dann? Und welchen Sinn macht es, die Diskussion über die "richtige" Zahl von Sportstunden in jede einzelne Schule hineinzutragen mit der Empfehlung an Lehrer und Eltern, "eigene Schwerpunkte zu setzen"?
Der jüngste Vorstoß aus dem Hause
Raab taugt jedenfalls zu einem nicht: die tiefen Gräben zwischen der Behörde und den Lehrern oder Eltern zu überbrücken.
Für die Senatorin und ihre Mannschaft gilt, was viele Schüler auch von Lehrern hören:

Sie müssen noch viel lernen...

 

  • Diskutieren Sie mit!
  • Ist Jahn wirklich 'out' oder geht man mit ihm falsch um?
  • Ihre Meinung...?!

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Weniger Sport in der zweiten Klasse
Deputation billigt Vorlage - Kritik von
Experten

Der Sportunterricht soll im nächsten Schuljahr auch bei den Zweitklässlern eingeschränkt werden. Eine entsprechende
Vorlage billigte gestern die Deputation der Schulbehörde mit ihrer rot-grünen Mehrheit. Die "Verordnung über die
Stundentafel für die Grundschule" sieht zum August dieses Jahres eine Kürzung der Regelstunden im Sportunterricht von drei auf zwei vor. Dafür soll das Fach Freie Gestaltung in der zweiten Klasse von einer auf zwei Stunden erweitert werden.
Gleichzeitig stimmte die von Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) geleitete Deputation, höchstes Beschlussgremium der Behörde, einer "Flexibilisierungstafel" zu. Danach können
die Schulen, wenn die Schulkonferenzen das beschließen, von der Regelstundentafel abweichen und es bei drei Wochenstunden Sport und einer Stunde Freie Gestaltung
belassen.  "Mit der neuen Stundentafel wird nichts
gekürzt, sondern es werden Mindest- und Höchststundenzahlen festgelegt, wie es das Schulgesetz vorsieht", erklärte Viola
Griehl, die Sprecherin der Schulbehörde. Endgültig muss der Senat noch die neue Verordnung absegnen. Sie betrifft in der
zweiten Klasse etwa 12 700 Schüler. Die gleiche Regelung soll auch für die Primarstufe der Sonderschulen gelten.  Die neue Stundentafel erhöht die Unterrichtsstunden für Mathematik in der
Klasse vier von vier auf fünf pro Woche. Den Schulen steht es frei, den Wahlpflichtbereich Künste um eine auf zwei Wochenstunden aufzustocken. Nach Ansicht der Schulbehörde darf das Bewegungsbedürfnis der Kinder nicht auf den Sport beschränkt werden. Deshalb werde das Fach Freie Gestaltung
gefördert.  Wie berichtet, hatte die Deputation schon im vorigen Oktober - damals einstimmig - die Reduzierung des
Sportunterrichts in der siebten Klasse der Haupt- und Realschulen von drei auf zwei Stunden beschlossen. Die Lehrergewerkschaft GEW, Lehrerkammer, CDU und FDP protestierten gegen Einschränkungen beim Sport. Die CDU will
das Thema vor die Bürgerschaft bringen. Ihre Abgeordnete Bettina Machaczek schlägt eine Anhörung im Schulausschuss
vor, "damit die Abgeordneten der Regierungsparteien wissen, wofür sie sich im Falle ihrer Zustimmung zu verantworten
haben".  Ihr Fraktionskollege Wolfgang Beuß begehrt mit einer Anfrage vom Senat Auskunft, wieviel Sportunterricht an den Schulen erteilt worden ist und wie viele Stunden ausgefallen sind. Er fragt auch: "Was soll in der zusätzlichen Unterrichtsstunde Freie Gestaltung geschehen?" Das Vorhaben der Schulbehörde stößt bei Experten und Betroffenen auf
Ablehnung. "Ich kann das nicht verstehen", sagt Julia Liedtke, Vorsitzende der Schülerkammer. "Viele können es sich nicht leisten, im Sportverein zu trainieren, dadurch wird die Stimmung an den Schulen noch schlechter."
Auch Dr. Klaus-Heinrich Damm, geschäftsführender Arzt der Ärztekammer Hamburg, hält das Vorhaben für falsch:
"Der Schulsport hat eine enorm wichtige Funktion: Er gleicht den Bewegungsmangel der Schüler aus, und der ist heute,
aufgrund des veränderten Freizeitverhaltens, viel größer als früher. Wenn ein Kind nicht schon in der Schule die Freude am Sport lernt, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sie nie lernt. Und
das hat oft schlimme Folgen für die Gesundheit von Körper und Seele." Christiane Andres-Martin, Sportlehrerin und Leiterin der Grundschule Ochsenwerder, sagt: "Wir brauchen den Sportunterricht, weil die Schulung der Motorik die Denkleistung der Kinder erhöht." Eher mehr als weniger Sport in der Schule fordert Manfred Möller, Sonderpädagoge und Fachberater für Psychomotorik: "Den Kindern von heute fehlen sowieso schon viele Bewegungs- und  Wahrnehmungserfahrungen. So etwas
muss der Schulsport bieten, aber auch die Pausen. Wir müssen den Sportunterricht deshalb erweitern und vielfältiger gestalten, denn im Moment ist er zu einseitig, es werden fast nur Ballspiele gemacht." Klaus-Jürgen Dankert, Präsident
des Hamburger Sportbundes, kündigt an: "Wir werden uns mit anderen Organisationen wie GEW, Ärztekammer und Universität abstimmen und massiv gegen diese Pläne vorgehen." (rup/gog)

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