Sonnabend, 27-Oktober-2001

- WM- INTERVIEW -

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GYMmedia-Exclusive

INTERVIEW  mit dem Präsidenten des Organisationskomitees der 35. Turnweltmeisterschaften und der Vlaamsen Turnliga (VTL)
 << Herrn
Marc SCHOENMAEKERS:

"Mit der Organisation der Weltmeisterschaften haben die Vlaamse Turnliga (VTL) und der Verband für Allgemeine und Sportgymnastik (AFG) als Gastgeber eine der größten Herausforderungen in ihrer Zusammenarbeit übernommen. Gemeinsam haben wir alles getan, allen Organisationen, Delegationen, Gästen, der Presse und den Turnfans ein herzliches Willkommen und die bestmöglichsten Bedingungen zu bieten"

:   Herr Schoenmaekers, so wie 1903 in Antwerpen steht Belgien erneut mit einem großen Turnereigniss an der Spitze eines neuen Jahrhunderts. Wird es eine Weltmeisterschaft mit historischen Dimensionen?
SCHOENMAEKERS:  "Ich hoffe das, aber das werden wir sicher erst nach Ende des Ereignisses wissen.Ersteinmal konstatieren wir, dass an diesen Weltmeisterschaften so viele Athleten wie niemals zuvor teilnehmen werden. Gleichzeitig aber wird es immer schwieriger für uns Organisatoren, solche Dimensionen zu bewältigen. Der Weltverband FIG muss sich dringend Gedanken über künftige Qualifikationsmechanismen machen. Was wir brauchen, sind Events mit den Top-Athleten. Warum müssen hier für 600 Sportler eine Woche aufwendige Trainingsbedingungen geschaffen werden. Trainieren sollte man doch eigentlich zu Hause...oder?"

:   Überschattet werden diese friedlichen Spiele des Sports von den Ereignissen in den USA und der sich verschärften politischen Weltlage. Wie stark hat das die Organisation der WM betroffen,und welche besonderen Maßnahmen haben Sie ergriffen?
SCHOENMAEKERS: "Wir haben unsere Sicherheitsmaßnahmen mehr als verdoppelt! Es gab eine koordinierte Vorbereitungsphase mit der Polizei von Gent, dem Staatssicherheitsdienst und dem belgischen Innenministerium. Gründliche Akkreditierungsmechanismen und Foto-Checks lassen ausschließlich nur autorisierte Personen in die Sicherheitsbereiche. Abends und morgens werden alle Hallen gründlich untersucht, ein Schließ- und Sicherheitssystem inklusive nächtlicher Überwachung, auch mit Hunden, garantiert die Sicherheit aller WM-Bereiche. Zusätzliche Kamera- Überwachungsanlagen sind sensibilisiert, aber wir glauben, es ist alles so, dass unsere Gäste davon wenig merken, und sich hoffentlich wohlfühlen werden."

:   Einige Spitzen-Nationen haben ihre Teilnahme abgesagt oder stark reduziert (Japan, China...). Wie interpretieren Sie das?
SCHOENMAEKERS:  "Allein Japan hat aus den genannten Gründen der Sicherheit des Reiseverkehrs die Teilnahme abgesagt. Das mussten wir natürlich respektieren. Bei China sind es interne und andere Gründe, an denen wir auch nichts ändern können. Wir aber sind glücklich, dass alle anderen und so viel wie nie zuvor gekommen sind. Mit der FIG gab es im Vorfeld auch Diskussionsrunden, wie man die Organisatoren in einem Falle des Ausfalls oder der Absage einer solchen Großveranstaltung absichert. Denn zum Zeitpunkt des 11. September - der schrecklichen New Yorker Ereignisse - war der Großteil der Veranstaltungskosten bereits entstanden und das wäre natürlich ein gewaltiger finanzieller Verlust. Hier sollte man künftig einen Fond zur Abfederung von Organisatoren in Krisenfällen schaffen, die man ja leider heute nicht mehr ausschließen kann."

:   In Gesprächen mit den Sportlern würden die Trainingsbedingungen auf der Expo besonders gelobt, obwohl sie mit der Logistik des Transports bestimmt keine leichte Aufgabe zu bewältigen hatten. Wie beurteilen Sie aus ihrer Sicht die Leistungen ihrer eigen Organisation im Vorfeld der WM und wo lagen die Schwierigkeiten und Schwerpunkte?
SCHOENMAEKERS:  "Wir mussten die speziellen Fragen und Probleme des Transports und der Unterbringung nahezu militärisch und generalstabsmäßig planen und in den vergangenen 6 Monaten organisieren. Gent ist zwar eine schöne, aber auch kleine Stadt mit einem ziemlichen Verkehr. Das ging alles nur mit großer Hilfe der Polizei."

:   Das FIG-Council hat im Frühjahr einige Neuerungen des Wettkampfreglements beschlossen. Wie beurteilen Sie die Wirkung auf die Öffentlichkeit und die Medien.?
SCHOENMAEKERS:  "Dass erstmals das Einturnen nicht auf der Wettkampffläche, sondern in einer separaten Halle gleich nebenan geschehen kann, kommt sicher den Zuschauern und Medien zu Gute. Seit Sommer haben wir gleich neben der Topsporthal Vlaanderen unser Kunstturn- und Akrobatik-Zentrum, das modernste Bedingungen dafür bietet. Das belgische Fernsehen wird an den Abenden der Entscheidungen an allen Tagen und z.T. live berichten."

:   Diese Weltmeisterschaften würden auf spezielle Weise  „beflügelt“ durch eine Sagengestalt aus der griechischen Mythologie. Werden sie als „PEGASES“-Festsiele in die Geschichte eingehen und wie schätzen Sie die bisherigen Reaktionen auf diese Gerät-Innovation ein.
SCHOENMAEKERS:  "Ich glaube, hier erleben wir den Beginn einer sehr guten Entwicklung auf technischem Gebiet. Was ich bereits hier sehen konnte, sind die Sprünge höher, schöner, weiter und vor allen Dingen weniger gefährlich. Ich bin gespannt, was die Sportler und Trainer noch alles aus diesen neuen Bedingungen mit diesem Sprungtisch "Pegases" machen werden."

:    Es gab einige Aufregung um die Nicht-Nominierung der belgischen Männermannschaft. Wie ist der letzte Stand und wie dazu der Standpunkt des VTL-Präsidenten?
SCHOENMAEKERS:  "Im Februar schon hatte unser Technisches Komitee Männer - ein 10-köpfiges Gremium, zusammengesetzt aus je 5 Vertretern der AFG und der VTL - festgelegt, dass das Männerteam mindestens 200 Punkte erreichen sollte, um sich im internationalen Mittelfeld zu platzieren. Das haben sie aber nur einmal bei den nationalen Meisterschaften erreicht (202), dann nie wieder (192/194/197) - auch nicht bei der letzten Chance im Länderkampf gegen Dänemark. So gab es im genannten Gremium eine Abstimmung, die mit 6:4 Stimmen  g e g e n  eine belgische WM-Teilnahme votierte. Wir hielten dies für einen durchaus demokratischen Prozess. Dass sich nun die Turner in die WM juristisch eingeklagt haben, bedauern wir. Hier gibt es einige Ungereimtheiten im belgischen Turnen, und intern auch nach der WM zwischen VTL und AFG noch erheblichen Klärungsbedarf."

:   Heute ist die Eröffnungsveranstaltung, die Wettkampfwoche beginnt. Wie lauten die 3 größten Wünsche des OK-Chefs?
SCHOENMAEKERS:  "Erstens: Kein Sicherheitsproblem...!
Zweitens: Zufriedene Gäste, Athleten und Top-Leistungen. Volle Hallen haben wir ohnehin schon.
Drittens: Dass das OK diese Weltmeisterschaften nach der letzten Abrechnung auch finanziell 'überlebt'!"

Herr Schoenmaker, wir danken für das Gespräch.

  (Das Gespräch führte Eckhard Herholz , GYMmedia )