update: 21-03-2002

Frankfurt/Deutschland

DSB-Initiative bringt Schwung in die medienpolitische Diskussion

- Tagung: "Sport im Fernsehen", 

Mainz, 11.März 2002

 
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DSB-Initiative bringt Schwung in die medienpolitische Diskussion
Seit Jahren dreht sich die Diskussion im Kreis. Die Sportverbände beklagen mangelnde Vielfalt bei der Abbildung des Sports in den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen und verweisen auf den Staatsauftrag zur sogenannten Grundversorgung.

Die Programm-Verantwortlichen reden den Einschaltquoten das Wort und behaupten, die Konzentration auf massenattraktive Sportarten sei vom Gebührenzahler verlangt. Auch die Diskussionsrunde in der Mainzer Staatskanzlei, zu der der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Kurt Beck, kürzlich Vertreter von Sportorganisationen, Rundfunkräten und Medien eingeladen hatte, schien in diesem ewigen Disput nichts Neues zu bringen.

Bis der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Manfred von Richthofen, neue, denkbare Wege aufzeigte, als er sagte:

"Das Präsidium des Deutschen Sportbundes hat nach Vorarbeiten der DSB-Medienkommission unter Professor Günther von Lojewski an der Spitze gerade beschlossen, die Möglichkeiten eines eigenen Sport-TV-Kanals intensiver zu beleuchten. Wir haben eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben."
Diese Anregung hat Ministerpräsident Kurt Beck spontan aufgegriffen. Für ihn sei die Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Sportkanals – analog des Kulturkanals Phoenix – denkbar: "Ich bin bereit, dazu eine medienpolitische Diskussion zu führen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass so etwas politisch umgesetzt werden kann." 
Manfred von Richthofen hatte zuvor betont, dass sein Vorstoß weder als Drohung noch als Resignation gegenüber ARD und ZDF zu bewerten sei: "Ich nenne es Belebung des Geschäfts, an dessen Seriosität ich auch in Zukunft nicht zweifeln möchte."

Der DSB-Präsident hatte im Laufe der Debatte an die Traum-Einschaltquoten erinnert, die die Olympischen Winterspiele von Salt Lake City ARD und ZDF beschert und "sogar die vielgeschmähten Randsportarten ins Zentrum des allgemeinen Interesses gerückt haben". Das habe doch gezeigt, welch unverbrauchtes Potenzial in vielen Sportarten steckt, die noch nicht überprofessionalisiert und überkommerzialisiert sind. Von Richthofens Forderungen: "Sportarten selbst für Minderheiten können nicht dauerhaft und flächendeckend ausgeblendet werden. Sie haben ihre Daseinsberechtigung auch im Fernsehen. Außerdem muss die Bedeutung des Sports für die Gesundheit herausgestellt werden, und in einer Zeit eines aggressiven Verhaltens von jungen Menschen und einer Ich-Bezogenheit müssen Werte des Sports wie Fairness und Toleranz vermittelt werden." Der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber kritisierte bei den Fernsehsendern eine "Tendenz zur Verflachung und Boulevardisierung". Es könne nicht sein, dass der Moderator wichtiger ist als das sportliche Ereignis oder dessen Hintergründe.

Die Fernseh-Sportschefs Michael Antwerpes (Südwestrundfunk) und
Wolf-Dieter Poschmann (ZDF) hielten dagegen. "Ich kenne nicht einen Sportverband, dem es jetzt schlechter geht als vor zehn Jahren", meinte Poschmann bezogen darauf, dass selbst kleine Verbände über den sogenannten 32-er-Vertrag Geld von ARD und ZDF bekommen. 
Und Antwerpes befürchtete, dass das Fernsehen häufig zum Spielball der Kommerzialisierung gemacht werde:
"Es kann nicht unsere Aufgabe sein, gewisse Veranstaltungen am Leben zu erhalten." Beide forderten aber die Sportverbände auf, die Kontakte noch intensiver zu gestalten, noch öfter miteinander zu reden.

Die Bilanz des Tages zog der gastgebende Ministerpräsident Kurt Beck. Es müsse auch künftig eine vielfältige Sportberichterstattung in ARD und ZDF gewährleistet sein, mit der auch sportliche Werte vermittelt werden, andererseits dürfe auch der Unterhaltungsaspekt nicht zu kurz kommen. Keinesfalls solle an der Programmautonomie der Fernsehmacher gerüttelt werden. Wichtig sei es, die Brücke zwischen Leistungssport und Breitensport und damit die Lebendigkeit des Breitensports zu erhalten. Schließlich solle die Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Sportkanals auf jeden Fall intensiv diskutiert werden.

Anmerkung und zur Aussage von Wolf-Dieter Poschmann, ZDF: 
"Ich kenne nicht einen Sportverband, dem es jetzt schlechter geht als vor zehn Jahren".

- von Eckhard Herholz, ehemaliger ZDF Turn-Reporter (1990 - 1994, DSF-Turnreporter 1994 - 1997):
Es ist schon eigenartig, wie vergesslich man in der TV-Branche ist!


E. Herholz

Vor zehn Jahren schickte man noch ein ganzes ZDF-Equipment zu den Weltmeisterschaften nach Indianapolis, von dort übertrug ich einige Stunden lang aus dem dortigen Hoosher Dome. Zuvor war das ZDF mit eigener Technik in Öhringen und berichtete gar von der deutschen WM-Qualifikation.
Im Olympiajahr 92 gab es sogar noch Berichte vom Freyburger Jahnturnen in der sonntäglichen Sportreportage- wohl wahr, weil das deutsche Olympiateam dort in Aktion war.

>> Dann fand 1992  selbst eine neu eingeführte Einzel-WM 1992 in Paris seinen Sendeplatz im Aktuellen Sportstudio und man schickte mich gar mit EB-Team zur Turn-WM 1993 nach Birmingham, wo wir als einziges TV-Team der Welt z.B. den Reck-Crash des Andreas Wecker sogar im Training einfingen....!
>> Mehrere Stunden lang kommentierte ich von einem ZDF-eigenen Reporterplatz vor Ort 1994 von der Turn-WM selbst aus dem fernen Brisbane.....!
Im Jahr 2002 jedoch war das ZDF nicht einmal mehr bereit, Reisekosten von Mainz nach Cottbus zum Weltcup auszugeben, geschweige denn für die Bilder zu bezahlen. Trotzdem mutet es nahezu wie eine "Gottesgabe" für die Veranstalter an, dass das ZDF wenigsten noch 6 Minuten (!!) ins Programm nahm. So konnte man den immer weniger werdenden Sponsoren, wenigstens überhaupt noch eine überregionale Fernsehpräsenz dieses hochkarätigsten Turnturnier des Jahres nachweisen. Die gesamten Produktionskosten (außer einem geringfügigen Leitungskostenanteil der über Strecke nach Mainz gesandten Bilder des zweiten Tages) lasten inzwischen auf dem Veranstalter vor Ort!
Hatte der öffentlich-rechtliche ORB im Vorjahr noch den Weltcup und Turnier der Meister - im Sendegebiet das mit Abstand hochrangigste Sportereignis im Jahresverlauf -
selbst produziert und ins Programm genommen, verlangten der TV Sender vom Veranstalter in diesem Jahr die vollen Produktionskosten von über 50.000 EUR, ohne aber diesen Wettkampf ins Programm nehmen zu wollen, bzw. dafür - wie branchenüblich - zu bezahlen. Das Argument von ORB-Sportchef,  "...es sei dies im Vorjahr eine der teuersten Produktionen gewesen, die mit einigen zehntausend Zuschauern aber die schwächste Quote gebracht hätte...!" Einleuchtend...? Aber nur, wenn man diese Quote nicht hinterfragt: Dieses Turnevent wurde damals im Rahmen einer ausgewiesenen Fußballsendung und in deren Aktionspausen förmlich "versendet". Dort, wo also der Fußballfan in "seiner" Sendung aufsteht, sein Bier holt oder zur Toilette geht - dort rast natürlich die auf die einzelnen Breaks ermittelte Quote zwangsläufig in den Keller! Schlimm ist nur, dass man diese Quotenkeule unkritisch den Betroffenen um die Ohren schlägt; schlimm ist auch, dass man diese Argumente auf der Betroffenenseite nicht kompetent und offensiver und kritischer hinterfragt!
(Der ORB nahm dann doch den Cottbuser Weltcup 2002 an beiden Tagen wenigsten in sein regional-empfangbares Spätabendprogramm (23.55 Uhr, bzw. 22.35 Uhr). Die Hauptproduktionskosten lasteten jedoch auf den Schultern des Turnierdirektors Sylvio Kroll und seiner Crew, der längst nicht mehr weiß, wie solche Situationen künftig finanztechnisch zu bewältigen sind. (E.H.)

Wegen der zu hohen Kosten hatte sich erstmals ein durch die Agentur GYMmedia unter Ltg. des Fernseh-Profis Eckhard Herholz formiertes TV-Equipment  "GYMmedia-TV" gebildet, dass die Übertragungen mit hoher Qualität absicherte.
Das internationale Signal wurde in Form der Aufzeichnungen beider Wettkampftage mit allen notwendigen Einblendungen und Zeitlupen der schwedischen Rechteagentur IEC insports übergeben.
Im Vorjahr stellte der Verkauf dieser Cottbuser Bilder an weltweit über 70 Länder bzw. TV-Sender ein sehr gutes Geschäft dar. 
(gymmedia)

Anmerkung:
Wenn dem so ist - wieso haben die Ausrichter bzw. Veranstalter so wenig davon, dass sie selbst die Weiterführung ihrer Wettkampftraditionen akut in Frage stellen müssen?
Diese letzte Frage ist dann wohl eher auch in die Richtung der die internationalen Fernsehrechte im Turnbereich besitzenden bzw. makelnden FIG gerichtet. Aus dortigen Funktionärskreisen jedoch ist zu hören, dass man mit den aus den TV-Rechten fließenden Fernsehgeldern höchst zufrieden sei, es also wegen der damit guten Finanzlage keine Gründe zu Veränderungen gäbe...
Ob man dort überhaupt schon gemerkt hat, dass z.B. der Weltcup-Modus im Turnen vor allem wegen seiner konservativen medialen Präsenz in den letzten Zügen liegt...?
Veränderungsabsichten in allen Ehren, leider sind sie medial unausgereift (siehe UEG-Bemühungen 2001 mit der sog. Team-EM in Riesa) bzw. nur halbherzig und unzureichend (Turn-WM Gent) und treffen nicht den Kern der Sache.
Eine der ältesten olympischen Disziplinen muss ihr Prozedere und ihre Strukturen generell in Frage stellen! Es besteht schon lange die Gefahr, dass es sonst und schmerzhaft andere tun!

(Eckhard Herholz)

 
  DTB-Präsident Rainer Brechtken: ( in: DEUTSCHES TURNEN, Ausg. 04/2002)
Die öffentliche Wahrnehmung von Turnen und Gymnastik verbessern


Rainer Brechtken

In unserer heutigen Medien geprägten Gesellschaft wird häufig nur das wahrgenommen, was auf dem Bildschirm, im TV läuft. Dies gilt auch in besonderem Maße für den Sport. Sportarten, die nicht im Fernsehen präsent sind, werden in der breiten Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen, mit Ausnahme von zwei Wochen alle vier Jahre bei Olympischen Spielen. Ohne Wahrnehmung weniger Unterstützung, weniger Förderung, zu wenig Sponsoren – weil zu wenig Wahrnehmung. Angesichts der einseitigen Ausrichtung unserer TV-Landschaft auf Fußball, Formel 1 und ein bisschen Wintersport betrifft dies mittlerweile die große Mehrheit der Sportarten in Deutschland. Unsere Sportarten Turnen und Gymnastik gehören leider dazu.

Doch Jammern und Wehklagen hilft nicht weiter, wir müssen es als unsere Aufgabe annehmen, die öffentliche Wahrnehmung unserer Sportarten Turnen und Gymnastik zu verbessern.

Wo sind unsere Stärken?

  • Unsere Kern-Sportarten Gerätturnen, Gymnastik und Trampolinturnen gehören zum olympischen Programm.
  • Unsere Sportarten haben eine hohe Wertschätzung in Bezug auf Artistik, Ästhetik und Kunst. Nicht zuletzt sind Turnen und Gymnastik in Form von Show und Unterhaltung gefragt.
  • Unsere Sportarten Turnen und Gymnastik haben einen hohen Stellenwert in Bezug auf Gesundheit, Fitness, Spaß und soziale Gemeinschaft.
  • Wir haben in unseren Sportarten mit internationalen Turnieren in Cottbus, Stuttgart, Berlin, Hannover, Ludwigsburg etablierte, hochkarätig besetzte Spitzensport-Veranstaltungen.
  • Wir richten in jedem Jahr in Deutschland mindestens eine internationale Meisterschaft aus.
  • Wir haben eine Gerätturn-Bundesliga der Vereins-Mannschaften, in denen internationale Spitzenkräfte des Gerätturnens vertreten sind.
  • Wir haben mit dem Deutschen Turnfest alle vier Jahre ein Event mit Anziehungskraft für viele Vereinsmitglieder, ergänzt durch attraktive, regional geprägte Landesturnfeste.
  • Wir erleben regelmäßig zum Jahreswechsel mit der DTB Gala, NTB-Feuerwerk der Turnkunst, der STB-Turngala bundesweit über 40 Show-Veranstaltungen, die in Form von Tourneen in ausverkauften Hallen stattfinden.

Wo sind unsere Schwächen?

  • Unsere Kern-Sportarten in Turnen und Gymnastik sind kompositorische Sportarten, Übungsinhalte und deren Bewertung sind für Außenstehende schwer nachvollziehbar.
  • Unsere Sportarten erfordern als Wettkampfsport einen hohen, langwierigen und zum Teil mühsamen Trainingsaufwand.
  • Der Ablauf unserer sportlichen Wettkämpfe ist häufig zu langatmig, wenig spannungsgeladen und wenig inszeniert für Medien aufbereitet.
  • In unserer olympischen Kernsportart fehlen uns zur Zeit die sportlich herausragenden Erfolge. Zudem fehlt es an herausragenden Athleten, Stars.
  • Unsere größte Schwäche ist unsere Vielfalt: Wie auf einer Großbaustelle werkeln viele Handwerker an verschiedenen Stellen im DTB. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass dabei jeder nach seiner eigenen Bauzeichnung vorgeht.

Unser Ziel
Meine These ist: Unser Ziel „Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung von Turnen und Gymnastik” erreichen wir nur, wenn es uns gelingt, die oben aufgeführten Potentiale zu einem Gesamtkonzept zusammen zu führen. Dort hat die Gerätturn-Bundesliga ihre Funktion ebenso wie die Show-Veranstaltungen und die Turnfeste. Die einzelnen Bestandteile des Konzeptes müssen wir dann Punkt für Punkt unter der oben genannten Zielsetzung durcharbeiten. Wichtig ist, dass alle nach der gleichen Bau-Zeichnung arbeiten.

Realität der Medien
Allerdings machen wir uns nichts vor: Selbst mit einem abgestimmten Gesamtkonzept werden wir mit unseren Sportarten Turnen und Gymnastik nicht zu Quotenkönigen im TV. Turnen und Gymnastik sind medial Randsportarten, wir werden weiterhin eine Nischenpolitik betreiben müssen.

Letztlich müssen wir auch die Bedingungen in den Medien zur Kenntnis nehmen: Die Sport-Sendefläche ist zum großen Teil vergeben für Fußball, Formel 1, die TV-Anstalten haben weit mehr Rechte an Sportarten als Sendefläche. Hinzu kommt, dass sie durch Rechtekosten im Fußball und Formel 1 für übrige Sportarten kaum noch Produktionskosten aufbringen können.

Wir werden uns innerhalb des DSB mit den Szenarien befassen müssen, die sich aus dieser medialen Entwicklung für die Zukunft der einzelnen Sportarten ergeben. Dies ist ein weiterer Aspekt unserer Aufgabe zur künftigen „Wahrnehmung von Turnen und Gymnastik”.

 

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