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SZ– Vielleicht
ist das ja so ein Bild, das sich in die Vorstellungen der Funktionäre
eingeprägt hat, fest wie ein Lichtstrahl auf Fotopapier. Ein
Bild, das es schon lange nicht mehr gegeben hat, das allmählich nur noch
in Sehnsüchten existiert: eine runde, funkelnde Medaille, ganz egal
welche Farbe, baumelnd über den Muskeln eines Turners, auf einem
gelbrotschwarzen Trikot, gleich unter dem Wappen mit dem Adler. Eine
Vorstellung, die so weit weg ist, dass sie zum Albtraum werden könnte. Zuletzt hat es zwar noch ein paar Medaillen gegeben, die deutschen Junioren haben sie in Patras bei der Turn-Europameisterschaft geholt, aber die wichtigen Bilder von den Erwachsenen, die um die Welt gehen, werden von den Oberkörpern anderer Nationen fotografiert. Das deutsche Turnen befindet sich seit Jahren in einer Krise – es wird kaum noch wahrgenommen. Es gab eine Zeit großer Erfolge, dann eine Zeit, in der zumindest einer, Andreas Wecker, Erfolge feierte, dann eine Zeit mit Erfolgen eingebürgerter Spitzenturner. Dann wurde die Medaillenausbeute konstant dürftiger, und nun, in der entscheidenden Phase der Vorbereitung zu den nächsten Olympischen Spielen 2004, liefert der Turnerbund erst die Nachricht, dass großer Streit ausgebrochen ist über eine Zentralisierungsmaßnahme, dann, dass Cheftrainer Rainer Hanschke aufgibt, und schließlich, dass der Vizepräsident Spitzensport, Eduard Friedrich, zurücktritt. Von einem Erdbeben will Präsident Rainer Brechtken aber auch wieder nicht reden, ein Erdbeben sei etwas Unkontrollierbares. Für das, was sich in seinem Haus in den vergangenen Wochen abgespielt hat, gebe es einfache Erklärungen, außerdem habe er ein klares Konzept. Als erstes wird es am heutigen Dienstag eine Sitzung „mit allen Beteiligten geben“, dann wird das Dringendste gelöst, das Problem der Arbeitsweise und der Führung der Nationalmannschaft, und schließlich werden die Strukturprobleme angepackt, die Gründe, warum es so viel zerstörtes Vertrauen gibt im Spitzenturnen – und so wenig Erfolg. Brechtken ist
eigentlich Politiker, und auch wenn diese Krise kein Erdbeben
ist, dann ist es eine äußerst heikle Phase. Diese Art der Kommunikation bewirkte, dass die jungen Turner, sonst eher stille Sportler, plötzlich ziemlich laut auftraten, in der Öffentlichkeit und mit einer Stimme. Zunächst legten sie sich mit Cheftrainer Rainer Hanschke an, der daraufhin seinen Rücktritt erklärte. Dann folgte eine Stellungnahme auf der Turner-Website www.gymmedia.de , in der die Mitglieder des Athenkaders erklärten, die Basis der Zusammenarbeit sei zerstört. Schließlich trat Eduard Friedrich zurück, der für das Konzept und dessen Vermittlung verantwortlich war . An den
Diskussionen wird seitdem deutlich, dass der Ärger an der Basis tiefer
sitzt. Das klingt nach einer neuen Ära, und einige im DTB frohlocken bereits, dass durch den Streit nun die echte Chance einer Veränderung besteht. Brechtken bleibt vorsichtig: „Personaldiskussionen führe ich nicht in der Öffentlichkeit.“ Er könne nichts „draufpacken, nur umschichten“. Und neue Strukturen zu schaffen sei ein mühseliger Prozess. Das hat der Deutsche Turnerbund schon seit längerem bewiesen. Volker Kreisl / SZ(Hervorhebungen: gymmedia)
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