Gelesen in:
(17-03-02)

...mal wieder "Hick Hack" um Turnvater Jahn:

Am "Turnvater" scheiden sich erneut die Geister
von Kerstin Förster / LVZ

  Namensgebung an 43. Schule Leipzig verschoben / 
Experten-Streit um Schriften von Friedrich Ludwig Jahn

Sonderlich aufregend klingt der Name nicht: "43. Schule Leipzig". Staat kann die Sportmittelschule damit kaum machen. Kein Wunder, dass die Leitung mit Eltern und Schülern nach einem passenden Namen sucht. Sie wurden fündig und entschieden sich für Friedrich Ludwig Jahn.

Die Schulkonferenz plädierte nach einjähriger, intensiver Recherche einhellig für Jahn. "Wir wollten seinen Namen, der das besondere Profil der Schule unterstreicht", erklärte Schul-Chef Hans-Jörg Hain. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht, uns auch mit der Widersprüchlichkeit Jahns auseinander gesetzt."

So stießen die Leipziger bei ihren Nachforschungen auf Vorwürfe in der Literatur, wonach sich der Begründer des Turnens im Kampf um Deutschlands Einheit und Freiheit auch in der "völkisch geprägten Gedankenwelt" befunden habe. Eine Hamburger Schule hatte aus diesem Grund 1998 den Namen Jahn abgelegt. Die Schulkonferenz blieb nach erneuten Nachforschungen bei ihrer Wahl. "Wir haben uns mit der Jahn-Forschungstelle in Freyburg beraten", erklärte Elternsprecher Bernd Fraunholz. "Eine antisemitische Einstellung Jahns war für uns nicht erkennbar. Man kann sicher aus vielen Sätzen herauslesen, was man herauslesen will. Dass er von den Nationalsozialisten missbraucht wurde, kann man ihm ja nicht unbedingt vorwerfen."
Immerhin liest es sich, losgelöst aus Jahns Gesamtwerk und vor fast 200 Jahren geschrieben schon bedenklich. "Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum schmähen", hat der bärtige Turnvater in der Zeit der französischen Besetzung unter Napoleon einst gedroht, und zur Turnerei dürfe überhaupt nicht kommen, wer "Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt".

Image-Schaden befürchtet
Wie dem auch sei: Der Antrag wurde im Juni 2001 im Schulverwaltungsamt abgegeben. Der Zeitpunkt schien günstig, zumal die Namensgebung vor dem Turnfest erfolgen sollte und das Organisationskomitee positiv auf das Vorhaben reagierte. Zum eigentlichen Ereignis hätten Nachfahren Jahns, die sogar aus den USA kommen werden, die Schule gegenüber dem neuen Zentralstadion besuchen können.

Das können sie immer noch, doch den Namen Jahns wird die Einrichtung nicht tragen. Zumindest vorerst nicht. Direktor Hain hatte in einem Brief an Burkhard Jung, dem Leipziger Schulbeigeordneten, im Oktober des Vorjahres darum gebeten, den Termin zu verschieben, um die Vorbereitung des Turnfestes nicht mit der zu erwartenden kontroversen Jahn-Diskussion zu belasten. Nun soll um den 150. Todestag (15. Oktober) die Namensgebung erfolgen.
Ob es dazu kommt, ist nicht sicher. Denn Horst Brandt, der im Schulverwaltungsamt zuständige Prüfer, fährt "schwere Geschütze" auf und verweist auf Jahns Demokratiefeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und National-Chauvinismus. Dessen Schriften kursieren in rechtsradikalen Kreisen. "Die bisherige unkritische Bewunderung Jahns können wir so nicht fortsetzen, das ist unverantwortlich."

Stadtrat wird entscheiden
Letztlich wird der Stadtrat die Entscheidung treffen. Die Vorlage für die Abgeordneten liegt laut Jung auf dem Tisch. "Ich habe im zuständigen Ausschuss mündlich die Situation vorgetragen, dieser hat den von der Schule vorgeschlagenen Weg zustimmend zur Kenntnis genommen", erläutert Jung und weist darauf hin, "dass es keine abgestimmte Verwaltungsmeinung zum Vorschlag gibt, lediglich den Antrag der Schule."
 "Wir hätten uns schon gewünscht, dass man uns in der Zwischenzeit auf dem Laufenden hält", moniert Fraunholz.
Die 43. Schule plant im Mai eine Jahn-Ausstellung und knüpft damit an das Turnfest in München 1998 an. Dies endete mit einem Grußwort vom damaligen Bundespräsidenten
Roman Herzog. Darin hieß es unter anderem: 
"
Der 'Turnvater Jahn', der selbst Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung war, ist Symbol dafür, dass der Sport im wohlverstandenen Sinn Ausdruck freier Bürger ist. Seine vier 'F' Frisch, From, Fröhlich, Frei sind nicht umsonst bis heute das Emblem des Deutschen Turnerbundes."

Das Deutsche Turnfest in Leipzig beginnt in 63 Tagen. 100.000 Teilnehmer und Gäste haben sich angekündigt. Am 19. Mai werden Jahn-Nachfahren gemeinsam mit 50 amerikanischen Turnern im Leipziger Rathaus empfangen. In unmittelbarer Nachbarschaft vom neuen Zentralstadion befindet sich die 43. Schule Leipzig (Sportmittelschule), die den Namen von Friedrich Ludwig Jahn tragen möchte. Bis zur Wende hieß die Einrichtung POS Walter Ulbricht. (Kerstin Förster / LVZ, 16-17 März-2002).


 

dtf02_pur120.gif (5098 Byte)

gymhome.gif (1070 Byte)


gymservice_neu.gif (2056 Byte)
-ehe-
update: 18-101-2002