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exclusive:

20-02-2000

INTERVIEW MIT GABI WELLER:

"TURNEN IST WIE EINE SUCHT FÜR MICH,
ICH KANN GAR NICHT AUFHÖREN..... "

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English version

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Keine deutsche Turnerin der Neunziger Jahre hat an so vielen Deutschen Meisterschaften teilgenommen:
Zwischen 1990 und 1999 achtmal (außer '96+`97)!

Die 4-fache Deutsche Meisterin erkämpfte sich ausser ihren Titeln weitere 9 Medaillen, zuletzt 1999, wurde sie noch einmal Mehrkampfvierte und holte sich gemeinsam mit der Berlinerin Janina Dube die 4. Silbermedaille ihrer Karriere an dem Gerät (Sprung), wo mit Silber in der Dortmunder Westfalen-Halle 1990 auch ihre Karriere begann...

1991 - WM, Indianapolis (10.Team)
1992 - WM, Paris (14. Sprung)
1992 - Olympische Spiele Barcelona (10.Team)
1993 - WM Birmingham (32. Mehrkampf)
1995 - Universiade, Fukuoka (MK-Finale)
1996 - zweifache FICEP-Europameisterin  (FEDERATION INTERNATIONAL CATHOLIQUE EDUCATION PHYSICAL;
  
Stufenbarren + Balken)

1997 - Universiade, Sizilien (im Mk-Finale) 
Vierfache DEUTSCHE MEISTERIN:
1992: - Sprung, Boden,
1993: - Sprung
1994: - Mehrkampf
(.. zwischen 1990 und 1999 insgesamt 13 Medaillen)

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Gabriele Weller:
"... ich kann gar nicht aufhören!"

Zur Zeit studiert die grazile Powerfrau Sport in den USA, absolviert in einem Studententeam fast wöchentliche Wettkämpfe und beantwortete die Fragen von GYMmedia-Chef  Eckhard Herholz:

. gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte):  Wie sind Deine Erinnerungen an den aller ersten Kontakt mit dem Turnen?

GABI:  .Ich habe es einfach toll gefunden, mich in alle Richtungen bewegen zu  können und dass es moeglich war, in der Luft Drehungen und Salti zu machen und mich frei wie ein Vogel zu fühlen.

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Klein-Gabi's erste Schritte

Ich habe dann versucht immer höher zu springen, um diesen Moment der  Schwerelosigkeit mehr genießen zu können. Natürlich war mir das in diesem Alter (sechs) noch nicht so bewusst, aber im Nachhinein hatte ich genau dieses Gefühl. Auf dem Foto da, sieht man mich mit 8 Jahren. Ich habe gar nicht gewusst, das das noch existiert.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte):  Das haben Deine Eltern herausgekramt....! Gibt es bei Deinen Erinnerungen welche aus der Kategorie "unvergesslich"?

GABI:     Ich denke, die Möglichkeit zu haben, sich in einer solchen Art wie   beim Turnen bewegen zu können, möchte und will ich nie vergessen. Vielleicht ist das der Grund dafür, warum ich nicht aufhören kann zu turnen. Es scheint fast wie eine Sucht zu sein.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte): Ein Ergebnis und Ziel des Turnens ist natürlich Leistung. Hat das Turnen aber noch andere Spuren bei Dir hinterlassen?

GABI:   Natürlich. In jeder Hinsicht! Es hat meine ganze Persönlichkeit geprägt! Ich habe gelernt mit Niederlagen umzugehen. Mein Vater sagte immer zu mir, wenn ich bei einem Wettkampf nicht so gut war, dass eine Niederlage nicht dazu da ist um liegen zu bleiben, sondern um wieder aufzustehen. Das hat mich stark gemacht. Ich denke, durch das Turnen bin ich offener und toleranter geworden. Ich habe andere Länder und Kulturen kennen gelernt und ich habe neue Freunde gewonnen, die auf der anderen Seite der Erde leben.


gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Welche Rolle haben Erwachsene gespielt, als Du als Kind geturnt hast?

GABI:  
Ich habe Erwachsene respektiert, aber nur so lange mich diese auch   respektiert haben. Ich war zwar noch jünger, hatte aber bereits meine eigenen Gedanken und ich wollte, dass man mir nicht alles vorschreibt. Ich denke, dass z.B. eine Trainer-Turnerin-Beziehung nur dann funktioniert, wenn vernünftig miteinander kommuniziert wird und nicht einer was sagt und der andere zustimmt. Es soll Teamarbeit sein, nur dann funktioniert es. Das Schlimmste, was ein Trainer machen kann ist, jemanden zu etwas zu zwingen. Das schlägt meistens genau ins Gegenteil um.

Auf dem Foto im Vordergrund (v.l.):
Sandra Weller, Annika Frisch und
Nadja Weller (Schwester)

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Wie muss man - Deiner Meinung nach - mit kleinen Mädchen umgehen, die im Kunstturnen einmal ganz nach oben sollen?

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1987: Nur Fliegen ist noch schöner...

GABI:  Man soll individuell fördern und nicht alle über einen Kamm scheren. Man sollte ihnen vertrauen, denn nur wenn man den Turnerinnen vertraut, können sie Dir auch vertrauen. Man sollte ihnen auch genügend Freiraum für private Dinge geben. Und das Wichtigste: Die Kinder sollen in erster Linie Spaß im Training haben.

Nach ihrer ersten Deutschen Meisterschaft zum Turnfest 1990 -  ein Jahr später Gabi Wellers Auftritt im
ersten, wiedervereinten deutschen
WM-Turn-Team 1991 
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Im Hoosher Dome, Indianapolis: (v.l.)
Andrea Drissler, Kathleen Stark, Jana Günther, Anke Schönfelder, Gabi Weller, Annette Potempa

(Lesen Sie auch das GYMmedia-Interview mit der ersten Gesamtdeutschen Meisterin von 1991, Anke Schönfelder)

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Gabi
- im Vordergrund links
Vault in Hoosher Dome.jpg (9808 Byte)
WM-Sprung '91

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Worauf führst Du die Tatsache zurück, dass es in Deutschland nach der Wende nicht gelungen ist - trotz Zusammengehens mit dem Potential und den Strukturen der ehemaligen DDR, die ja kurz zuvor noch eine Welt-Kunstturnnation war, ein wenigstens konstantes Niveau zu halten?

GABI:   Der Hauptgrund meiner Meinung nach ist, dass die Sportler der ehemaligen DDR einfach besser gefördert wurden. Die Schule wurde auf das Training abgestimmt usw. Heute ist es den Lehrern meist egal, ob du ein Sportler bist oder nicht und du musst sehen, wie du den Schulstoff nachholen kannst. Ich denke, es waren auch politische Gründe. Die Mädchen mussten plötzlich durch ein ganz anderes Schulsystem gehen und sie wurden sportlich nicht mehr so gefördert und unterstützt wie damals. Jede musste sich plötzlich Gedanken um ihre eigene Zukunft machen. Ich denke auch, dass der  Sport für viele Sportler in der ehemaligen DDR eine gute und vielleicht die einzige Möglichkeit war, mal aus dem Land raus zu kommen. Das könnte ein großer Anreiz gewesen sein. Nachdem die Mauer fiel, war es dann ja kein Problem mehr in ein anderes Land zu reisen.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Sollte Deutschland überhaupt wieder das Ziel haben, in die "Olympic Family of Artistic Gymnastics" zurückzukehren...?

GABI:   Ja, auf jeden Fall. Ich denke, dass das Turnen eine der wichtigsten Sportarten in der Geschichte Deutschlands ist!

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Mutter Elisabeth als Trainerin:
Jägersalto - perfekt!

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Beschreibe mal - aus Deiner persönlichen Sicht - den Wert des Kunstturnens, für die betreffende Person, für die Gesellschaft und überhaupt.

GABI:  Es gibt keine andere Sportart, die man mit dem Kunstturnen vergleichen könnte. keine andere Sportart hat eine solch grosse Variationsbreite und diesen Abwechslungsreichtum. Turnen ermöglicht Drehungen um die Längs-, Breiten- und Tiefenachse eines menschlichen Körpers. Turnen fördert eine bessere Ausprägung der Sinne und kann durch einen gut ausgeprägten
Muskelapparat vor Alltagsverletzungen und oder -beschwerden schützen. Sport im Allgemeinen wirkt sich positiv auf die Gesellschaft aus. Würde jedes Kind ein aktives Mitglied in einem Sportverein sein, dann gäbe es mit Sicherheit weniger Jugendkriminalität. Sport im Allgemeinen sollte in Deutschland politisch mehr gefördert werden.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Gedankenspiel: Angenommen Gabi Weller würde das verantwortliche Amt (...welches müsste das sein?) übernehmen, um weibliches Kunstturnen in Deutschland wieder zu reanimieren, was würdest Du ändern/einführen/anders machen...!

GABI:    Ich hatte mir schon öfters mal überlegt, was ich machen würde, wenn ich Bundestrainerin wäre. Ich denke, dass es schwer zu sagen ist was ich machen würde, weil man dann letztendlich meist auf Widerstände stößt, mit denen man nicht gerechnet hat und die es einem nicht ermöglichen so zu handeln, wie man es gerne gehabt hätte. Trotzdem würde ich einiges anders machen. Ich würde sehr viel Wert auf die oben genannten Dinge legen: Der Spaß soll im Vordergrund stehen. Andererseits müssten die Turnerinnen auch lernen zu akzeptieren, dass es nicht immer ein Zuckerschlecken sein kann.
Ich würde mehr mit den Turnerinnen reden und mehr integrieren und mehr nach ihrer Meinung fragen. Es sollte eine Teamarbeit sein (die natürlich auch nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist). Auch würde ich die Schwerpunkte noch mehr in die Trainerausbildung und auf die Nachwuchsarbeit legen.
Wie gesagt, man darf aber nie die Widerstände vergessen, auf die man in verschiedener Art und Weise stoßen kann - an erster Stelle finanziell gesehen.


gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Welche Gründe siehst Du für die wachsende Ignoranz der elektronischen Medien gegenüber dem Turnen in Deutschland - Schuld der Medien oder der Sportart selbst?

GABI:
Da gibt es sicher viele Gründe. Ich glaube, dass die Sportart Turnen für einen Laien sehr schwer nachvollziehbar und das Wertungssystem zu kompliziert geworden ist.
Manchmal suchen sich Sportinteressierte Idole, mit denen sie sich identifizieren können. Im Tennis z.B. haben Sportler die Möglichkeit lange an der Spitze zu bleiben. Im Turnen sind die Karrieren nicht so lange.
Auch ist es sehr einfach, bei einem nur nur sehr kleinen Fehler, von Platz eins so weit nach unten abzurutschen, dass man gleich ganz von der Bildfläche verschwindet. Man kann nie genau vorhersagen, wer gewinnen wird.

Nicht schön genug für die Medien....?

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gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Welche Rolle sollte die Bewertung spielen - nur zur Leistungsdifferenzierung... oder nicht auch zur Vermittlung von Verständnis an ein Sportpublikum?

GABI:   Ich denke, dass es seht wichtig ist, dass das Publikum die Wertungen nachvollziehen kann. Menschen möchten mitreden können, aber wenn sie das System, welches die sportliche Leistung beschreibt, nicht verstehen, macht es keinen Spaß, sich das Ganze anzusehen, weil man es ja eh nicht nachvollziehen kann.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Wenn Du Letzteres unterstreichen würdest - ist da der derzeitige Code de Pointage das richtige Mittel...?

GABI:   Ein Buch in dem die Wertungsvorschriften festgelegt werden, das finde ich schon gut, aber ich denke, dass die Leute, die die Werte der Elemente festlegen, auch jene sein sollten, die noch mitten im Geschehen stecken und etwas davon verstehen.

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"TIGER GYMNASTICS".
Gabi Weller: Dritte von li., Rufina Kreibich, 2.v.l.

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Gabi Weller (li.) im Turnteam der Universität Towson/Maryland (USA), übrigens gemeinsam mit einer weiteren ehemaligen Deutschen Meisterin: Rufina Kreibich (2.v.rechts)


. Zur Zeit herrscht Wettkampfstress, jedes Wochenende ein Wettkampf im Tiger Team, und:
Soeben zeigte Gabi am Stufenbarren ihr neues Element:
Tkatschow - mit ganzer Drehung,
als drittes Flugelement ihrer Kür !! Glückwunsch!

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Du hast im Laufe Deines Lebens die heftigsten Kritiken am Frauenkunstturnen erlebt.
 Welche waren die häufigsten/die dümmsten und welche waren berechtigt... und was wären Deine entsprechenden Antworten darauf?

GABI:  Das Schlimmste, was mir je passiert ist war, dass mir während der Medaillenvergabe (ich wurde Deutsche Meisterin im Mehrkampf im Rahmen des Deutschen Turnfestes 1994 in Hamburg), jene Person, die mir die Medaille umhängte, gesagt hatte: 'Das war ja ganz gut, aber ein paar Pfund musst Du noch abnehmen." Ich war sprachlos und habe versucht es zu ignorieren, was mir auch erst ganz gut gelungen ist, aber im Nachhinein...?!!"

Gabi im Wettkampf.jpg (20425 Byte)
.... eben, bei einem aktuellen 
Uni-Wettkampf in den USA.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte): Wohin führten Dich die Wege seit dem Ende Deiner leistungssportlichen Karriere in Deutschland...?

GABI: ...die führten mich - nach einer gut gelungenen Kreuzbandoperation- zu einem Stipendium in die USA. Hier studiere ich Sport und turne für die Uni-Mannschaft der University of Towson/Maryland.
Wir haben vier Monate lang fast jedes Wochenende einen
Wettkampf, was ganz schön an die Kondition geht - in meinem "Alter" (24) vor allem!
gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Wie sehen Deine Pläne für die absehbare Zukunft aus?

GABI:  Ich möchte hier meinen Bachelor-Abschluss
machen und dann zurück nach Deutschland gehen, um dort mein Examen zu machen.

gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte)Kreative Menschen träumen gern. Wovon träumst Du.....?

GABI:   Ich träume von einem glücklichen, ausgefüllten Leben, eine Familie und ein eigenes kleines Haus zu besitzen. Mein ganz großer Wunsch ist, dass alle Menschen, die mir wichtig sind, glücklich und gesund bleiben und da schließe ich mich einfach mit ein!

 gymmediaonline_kl.jpg (6904 Byte):   Das wünschen wir Dir natürlich auch, vielen Dank und in diesem Sinne, alles Gute

* Das Interview für GYMmedia führte Eckhard Herholz.
* Lesen Sie dazu auch das > Interview mit Anke Schönfelder, langjährige Teamgefährtin von Gabi Weller.

* Update: 28-SEP-2001: 
Gabi Weller stellte sich - 10 Jahre nach ihrer WM-Teilnahme - bei den 61. Deutschen Turnmeisterschaften mit 25 Jahren noch einmal zu einer WM-Qualifikation, und erlebte in Gent 2001 ihre vierte Weltmeisterschaft. Momentan arbeitet sie als Stunt-Frau bei Fernsehproduktionen (SAT1-Serie)

* Update: 17-Juli-2003:

Gabi Weller wurde als "Beauftragte für Sport" in den Vorstand der Deutschen Turnerjugend gewählt. Beruflich ist sie Lehramtsreferendarin an einer integrierten Gesamtschule in Gießen.
(>>... siehe GYMmedia-Meldung vom 17-Juli-2003)

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English version

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-ehe-
20-02-2000
update: 19-02-2003

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