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Dienstag,
19-SEP-2000
Tuesday

XXVIIth Olympic Games Sydney, Kunstturnen

- ARTISTIC GYMNASTICS -

   Aus Sydney berichten: 
Andreas Goetze und Eckhard Herholz

- TEAM'S FINAL, Women -

Das ewige olympische Duell....
..... oder erstmals CHINA
auf Goldkurs..?
... doch im letzten Durchgang kam alles ganz anders !!

.

Seit Nadia Comaneci's Zeiten, die als das Dreamgirl der Spiele von 1976 und mit ihrer makellosen 10,0 in die olympische Geschichte eingegangen ist, gibt es den unerbittlichen Zweikampf an der Spitze der Turnnationen im Frauenturnen. Waren es damals die UdSSR-Riegen oder die Uebergangsloesung "GUS" nach Zusammenbruch der Sowjetunion 1992, ist es nun Russland als der große Gegner der Rumäninnen, die es bislang nicht geschafft haben, olympisches Mannschaftsgold im direkten Duell zu erobern. Nur einmal - 1984 - holten sie Gold in Abwesenheit der Sowjetunion, damals beim Olympiaboykott der sozialistischen Staaten, als nur Rumaenien aus der "politischen Reihe tanzte" und in Los Angeles teilnahm, hart bedrängt damals von den Gastgeberinnen aus den USA (Silber), die sich dann vor 4 Jahren mit  sensationellem Auftritt vor die beiden langjaehrigen Hauptkonkurrentinnen setzten und als "The Magnificent Seven" fuer nationale Euphorie sorgten.

DIE RESULTATSÜBERSICHT:
(- in Klammern () Position in der Qualifikation)

rot.

Results
1

(4) UKR  37,185

(5) ESP  38,523

.

.

1. ROU 154,608
2. RUS 154,403
3. CHN 154,008

2

.

UKR  38,674

ESP  37,861

.
3

(6) USA  37,685

(2) ROU  37,987

UKR  38,625

ESP  37,999

4. USA 152,933
5. ESP 152,113
6. UKR 151,846
4

ESP  37,730

USA 38,875

ROU  38,986

UKR  37,362

.
5

 (1) RUS  38,605

(3) CHN 38,962

USA  37,474

ROU 38,924

.
6

ROU  38,461

RUS  38,862

CHN  39,099

USA  38,674

.

154,608

152,933

7 .

.

RUS   37,899

CHN  37,874

.

115,366

115,935

8 .

.

CHN  38,073

RUS  39,037

.

154,008

154,403

.
 DER WETTKAMPFVERLAUF:

1./2. DURCHGANG
Die Spanierinnen,
die mit einem sensationellen letzten Qualifikationsdurchgang am Sonntag noch die Hoffnungen der Australierinnen zerstörten, begannen im Finale mit einem sehr guten Stufenbarrendurchgang. Susana Garcia erhielt auch die bisherige Hoechstnote von 9,687. Trotz eines Absteigers am 2. Gerät, dem Schwebebalken, von Marta Cusido nach einem Grätschsprung mit Vierteldrehung (8,625) Punkten liegt Spanien vor der Ukraine..
Deren Beste am Stufenbarren war - ebenfalls 9,687, wie Garcia - Olga Roschupkina aus Saporoschje.


Die Medaillen waren so umkämpft wie selten zuvor...
DIE AUSGANGSSITUATION:
- Rumänien war der letzte Weltmeister '99 vor Russland;
- die Russinnen aber hatten die Qualifikation gewonnen:
- die Chinesinnen waren Dritte der WM und in der Qualifikation dicht hinter Rumänien....
- einer anderen Riege (Ukraine...?) traute man nach den technisch brillanten Auftritten der Chinesen nunmehr einen Kampf um die Medaillen nicht mehr zu...
Etwa 8.000 Zuschauer erlebten diese Finalwettbewerbe - mit den höchsten Eintrittspreisen der Spiele, um die 250 bis 400 Mark pro Karte.
. 3./4. DURCHGANG
Die USA und Rumänien treten in den Wettbewerb ein, letztere jedoch weniger spektakulär, als erwartet: Nur drittbestes Barrenresultat, zwar ohne wesentliche, grobe Fehler, aber...
Die Spanierinnen hatten am Boden einen Sturz von Laura Martinez zu verkraften - wie so viele bei zweieinhalb Schraube - Salto vw. direkt, die USA ansprechend, keine Ausfälle....
Das zweite Gerät der Rumäninnen kam aber dann einem Feuerwerk gleich: Die Mehrkampfweltmeisterin Maria Olaru glänzte mit 9,787 und die kleine Andreea Raducan präsentierte erst die Superschwierigkeit Flicflac-Salto vw. mit Drehung und dann als Abgang aus langer Akro-Reihe einen Doppelsalto r.w gehockt - Hoechstwertung des Wettkampfes von 9,837 Punkten!!
Die USA kam auch ohne Fehler durch den Stufenbarren und hatte mit Jamie Dantzscher 9,700 eine starke Turnerin,  die USA-Meisterin Elise Ray zeigte virtuos gesprungene Handstanddrehungen ("Quast") und Amy Chow setzte mit 9,750 noch eins drauf - starker Durchgang.
Die Ukraine musste am Boden den Sturz Olga Roschupkinas nach Vorwärtsreihe verkraften...
. 5. DURCHGANG               
Jetzt erst stiegen die Russinnen in den Wettbewerb ein.
Coach Leonid Arkajew musste sie wohl nach dem Fehlstart der Männer am Vortag psychologisch gut aufgebaut haben, denn es war diesmal ein Start nach Mass: 38,605 - bestes bisheriges Sprungresultat, nur Jelena Produnowa als zweite Starterin patzte ihren 2. Sprung (Sitz), Chorkina mit Hoechstwert 9,762 (Mittelwert beider Sprünge) Jelena Samolodschikowa mit 9,765.
Rumänien gewohnt souverän, schwierig und elegant am Boden, stellte es doch auch mit Raducan und Amanar die beiden Besten zur WM vor einem Jahr. Die beiden bildeten nun auch die olympische Doppelspitze an diesem Gerät mit 9,762 (Andreea Raducan) hinter (!) der Vize-Weltmeisterin Simona Amanar mit 9,775. Damit erturnte Rumänien den Gerätehöchstwert - nicht nur an diesem Gerät, mit 38,924.

Allerdings wurden sie Minuten später vom Hightech-Team China am Stufenbarren übertroffen. "Lehrbuchhafte Erfüllung biomechanischer Kennlinien", könnte man bei fast allen Turnerinnen ins Protokoll schreiben - und Super-Geräteresultat von 38,962 !!
Dong, Fangxiao (- siehe Startalter, Dong Fanxiao) fiel besonders auf mit schönem Gienger-Salto und dann einer Langhangkippe, direkt gefolgt von einem Jägersalto am oberen Holm.
. 6. DURCHGANG   
Das war der heißeste Durchgang dieser Spiele!

Alle Teams übertrafen sich im Kampf um die Medaillen. Serien von 9,8er-Wertungen gab es, z.B Sprung, Raducan, Ling, Jie und
Dong, Fangxiao (> siehe Startalter, Dong Fanxiaoam Balken, Produnowa am Stufenbarren, aber den Vogel schossen wohl die Chinesinnen ab: Man könnte für dieses Olympiateam auch den arg strapazierten Begriff vom "Dreamteam" anwenden, wenn man sich allein auf die traumwandlerischen Choreographien der Artistinnen aus dem Reich der Mitte  auf dem Balken bezöge - 39,099,  d a s  Topergebnis des Abends bisher. Natürlich seit dem ersten Gerät die Führung vor Russland (- ausgerechnet Stufenbarrenkönigin Swetlana Chorkina verpatzt ihre Übung und setzt sie dann mit eisigem Gesichtsausdruck fort!) und vor  Rumänien  und damit bahnt sich hier eine echte Sensation an, vielleicht schon die Vorentscheidung (?), dass erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele auch bei den Frauen Mannschaftsgold nach China  geht...
... Rumänen war mit einem Spitzenresultat fertig (154,608 Punkte), die Spannung stieg ins Dramatische...!

7./Durchgang:    
Dem Traumdurchgang folgte erst einmal die Ernuechterung:
Katastrophenrotation für die beiden noch im Wettkampf verbliebenen Mannschaften Russland und China, die Nerven lagen also blank:
Erst rutschte Jelena Samolodschikowa nach einem einfachen Flicflac im Stütz weg und fiel schmerzhaft mit dem Gesicht auf den Balken, dann verließ Jekatarina Lobasnjuk bei einem gymnastischen Sprung mit Vierteldrehung zum Stütz im Seitverhalten das Gerät, hatte aber zuvor aus dem Stand einen Twist gezeigt (- halbe Drehung Salto vorwärts!).
Auch Anastasia Kolesnikowa hatte einen Patzer, blieb aber auf dem Balken. Jelena Produnowa schaffte dann den Höchstwert der Russinnen mit 9,775.
Auch die Chinesen zitterten ein wenig am Boden, mit vielen kleinen Fehlern, zwei Turnerinnen waren nach ihrer Vorwärtsakrobatik außerhalb der Matte, dabei kam Dong, Fangxiao am Sturz nur  knapp vorbei....
0,038 Punkte - Führung Chinas vor Rumänien, dann weitere 0,5 Punkte dahinter Russland!! 
Der letzte Durchgang war noch völlig offen - Russland am Boden - China am Balken, wer hat die besseren Nerven??!!

 DIE ENTSCHEIDUNG:

8. Durchgang: Und dann kam alles ganz anders.....!
China am Sprunggerät - bekam relativ hohe Noten, selbst Yang, Yun erhielt trotz Korrekturschritts nach Überschlag, halber Drehung, Salto rw. gestreckt noch 9,662 (?)
Die 5. Turnerinnen der Chinesinnen, Huang, Mandan,  verzichtete sogar ganz auf ihren Auftritt.
Doch dann diese Russinen..., sie verzauberten ein sich ebenfalls steigerndes und am Ende förmlich vor Begeisterung rasendes Publikum, durch superleicht vorgetragene, wunderschön choreographierte Bodenübungen, erst Lobasnjuk (9,750), dann Samolodschikowa (9,775) und Produnowa (9,725), und als zuletzt Swetlana Chorkina tanzte und turnte und zauberte, da hatte auch die Spannung den Siedepunkt erreicht: Urplötzlich geteilte Aufmerksamkeit der Fotojournalisten, ja - wohin, klar Rumänien oder Russland, oder doch lieber China...?


Die Chorkina

Die Rumäninnen  waren ja seit 2 Durchgängen nicht mehr dabei, man hatte ein wenig deren Punktresultat aus dem Auge verloren.
Chorkina war fertig, tosender Applaus, der chinesische Trainer stürzte schon jubelnd in den Innenraum - irgendwer musste ihm wohl sein Team an die Spitze gerechnet haben, ... dann die Wertung für Chorkina: 9,787 - Höchstwert, das Bodenresultat der Russinnen war auch das beste aller Mannschaften (!!) , Russland hatte damit Sprung und Boden gewonnen, die Chinesinnen hatten die Bestwerte an Balken und Stufenbarren....
...und trotzdem war alles ganz anders:

Der unbestechliche Computer verkuendete die Rumäninnen als das Goldteam von Sydney mit der ausgeglichendsten Leistung und 154,608 Punkten, dann Russland doch noch auf Rang 2, das sich mit einem Superbodendurchgang - faktisch mit der letzten Turnerin Chorkina, die damit ihren Stufenbarrensturz mehr als wettmachte - noch vor den schon wie die Champs aussehenden Chinesinnen auf den Silberplatz brachte... !
Das war schon Höchstspannung pur!!
... oder auch dummes Reglement...? Da wurde eine Mannschaft am Ende Olympiasieger, die an dem dramatischen Endkampf gar nicht mehr teilgenommen hatte. Zum Verständnis bei den Zuschauern gereichte dieser Modus nicht, die Programmchefs der Fernsehstationen werden geflucht haben, weil in beiden letzten Durchgängen das Goldteam nicht zu sehen war. Ob das kluge Reglementstrategen nicht hätten früher konzipieren können? So war es leider wieder ein verspielter TV-Bonus, der doch sonst so telegenen und faszinierenden Sportart!

Fazit: Rumänien wird nach 1984 zum
2. Mal Olympiasieger,

schlägt aber zum ersten Mal in der olympischen Arena den Dauerrivalen Russland (- wenn man die Duelle mit der früheren Sowjetunion mit einbezieht).

Russland als eigenständige Nation rettet zwar noch Silber vor den Chinesinnen, wurde aber erneut, wie 1996 von den USA, am Sieg gehindert.

China* sah zwischenzeitlich, noch vor dem letzten Durchgang wie der Sieger aus, und holt nach vierten Plätzen  Bronze, wie schon einmal 1984.
)* - siehe Startalter, Dong Fanxiao

Aus Sydney: Eckhard Herholz
Info: Andreas Goetze/

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update:
19-SEP-2000
*Updated: 2010, Apr 28
-ehe-