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update: 02-SEP-2002

Berlin

Der mobile Athlet 

Turn-Cheftrainer tritt zurück

- von Barbara Klimke -

 

Hanschke vor Team Nationalmannschaft im Trainingslager Kienbaum
Eine gewisse eigensinnige Kampfeslust hat die Turner von jeher ausgezeichnet. Aber dass die Barren-und- Boden-Boys des 21. Jahrhunderts das Motto ihrer Vorväter (Auf zum Streite...!) übernehmen sollten, kam dann doch ein wenig überraschend. Niemand hatte mit einer Rebellion gerechnet. Nicht Chef-Bundestrainer Rainer Hanschke, der, vom Aufruhr überrumpelt, kurz entschlossen sein Amt zur Verfügung stellte;
und auch nicht der Sportdirektor des Verbandes DTB Wolfgang Willam , der auf Anhieb keinen Nachfolgekandidaten benennen konnte. Hanschke hatte nichts


Willam, Hanschke

Unziemliches verlangt. Er hatte weder ein neues Turngerät eingeführt, noch im Trainingslager in Kienbaum die Nachtruhe verkürzt.
Hanschke galt ohnehin als besonnen: 
Er hatte nach der Olympia-Enttäuschung (Platz zehn) einen Pädagogen ins Team bestellt; er arbeitete mit Mental-Trainern zusammen; er führte einen Trainerrat ein, um zu demokratischen Beschlüssen zu gelangen. Doch nun hat er, nach Meinung der Sportler, den Bogen überspannt, weil er den mobilen Athleten forderte: Zumindest bis zu den Olympischen Spielen 2004 in Athen wollte er die Turner an zwei festen Stützpunkten, in Berlin und Stuttgart, zusammenführen. Das dezentrale System in Deutschland, das jedem Sportler erlaubt, möglichst nahe an seinem Wohnort neue Elemente einzustudieren, hielt er nicht für förderlich. Die Turner versagten ihm Gefolgschaft, also trat er zurück.

"Wenn die Athleten nicht mehr hinter mir stehen", sagte Hanschke, "kann ich keine Leistungssteigerung erreichen." Es spricht für den Cheftrainer, dass er Konsequenzen zog. Das Dilemma ist damit nicht gelöst, aber es kam wenigstens ans Licht.


Hanschke, DTB-Chef Brechtken

Immerhin wagte sich der DTB an ein Problem, vor dem andere Verbände beide Augen fest verschließen. Die deutschen Eiskunstläufer etwa, die seit Jahren weit entfernt von der Weltspitze verharren, leisten sich nicht weniger als fünf Stützpunkte - obwohl an manchen kein A-Kader-Athlet trainiert.
Eine zeitgemäße Bündelung der Kräfte wird im Eislauf nicht einmal ernsthaft diskutiert, weil jeder Stützpunkt eifersüchtig über seine Pfründe wacht. 

So zeigt die Rebellion der Turner, warum gewisse Sportarten auf der Stelle treten: Wer neue Wege gehen will, darf nicht vergessen, dass er sich zu diesem Zwecke in Bewegung setzen muss. 
Barbara Klimke
(Quelle: Berliner Zeitung vom 02.09.02; Hervorhebungen: gymmedia)

... siehe auch "SÜDDEUTSCHE ZEITUNG" vom 4. Sep 2002: "Aufstand der Turner"

(Fotos: gymmedia)

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