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Hanschke vor
Team Nationalmannschaft im Trainingslager Kienbaum |
Eine
gewisse eigensinnige Kampfeslust hat die Turner von
jeher ausgezeichnet. Aber dass die Barren-und- Boden-Boys des 21.
Jahrhunderts das Motto ihrer Vorväter (Auf zum Streite...!)
übernehmen sollten, kam dann doch ein wenig überraschend.
Niemand hatte mit einer Rebellion gerechnet. Nicht
Chef-Bundestrainer Rainer Hanschke, der, vom Aufruhr überrumpelt,
kurz entschlossen sein Amt zur Verfügung stellte;
und
auch nicht der Sportdirektor des Verbandes DTB Wolfgang
Willam , der auf Anhieb keinen Nachfolgekandidaten
benennen konnte. Hanschke
hatte nichts |

Willam,
Hanschke
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Unziemliches
verlangt. Er hatte weder ein neues Turngerät eingeführt,
noch im Trainingslager in Kienbaum die Nachtruhe
verkürzt. |
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Hanschke galt ohnehin als besonnen:
Er hatte nach der Olympia-Enttäuschung (Platz zehn) einen Pädagogen ins
Team bestellt; er arbeitete mit Mental-Trainern zusammen; er führte einen
Trainerrat ein, um zu demokratischen Beschlüssen zu gelangen. Doch nun
hat er, nach Meinung der Sportler, den Bogen überspannt, weil er den
mobilen Athleten forderte: Zumindest bis zu den Olympischen Spielen 2004
in Athen wollte er die Turner an zwei festen Stützpunkten, in Berlin und
Stuttgart, zusammenführen. Das dezentrale System in Deutschland, das
jedem Sportler erlaubt, möglichst nahe an seinem Wohnort neue Elemente
einzustudieren, hielt er nicht für förderlich. Die Turner versagten ihm
Gefolgschaft, also trat er zurück.
"Wenn die
Athleten nicht mehr hinter mir stehen", sagte Hanschke,
"kann ich keine Leistungssteigerung erreichen." Es spricht für
den Cheftrainer, dass er Konsequenzen zog. Das Dilemma ist damit nicht gelöst,
aber es kam wenigstens ans Licht.

Hanschke, DTB-Chef
Brechtken
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Immerhin
wagte sich der DTB an ein Problem, vor dem andere Verbände beide
Augen fest verschließen. Die deutschen Eiskunstläufer etwa, die
seit Jahren weit entfernt von der Weltspitze verharren, leisten
sich nicht weniger als fünf Stützpunkte - obwohl an manchen kein
A-Kader-Athlet trainiert.
Eine zeitgemäße Bündelung der Kräfte wird im Eislauf nicht
einmal ernsthaft diskutiert, weil jeder Stützpunkt eifersüchtig
über seine Pfründe wacht. |
So zeigt die Rebellion der Turner, warum
gewisse Sportarten auf der Stelle treten: Wer neue Wege gehen will, darf
nicht vergessen, dass er sich zu diesem Zwecke in Bewegung setzen muss.
Barbara Klimke
(Quelle: Berliner Zeitung vom
02.09.02; Hervorhebungen: gymmedia)
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