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update: 09-SEP-2002

München/Süddeutsche Zeitung:

Aufstand der Turner

Heftige Kritik an Plänen und Person 
von Vizepräsident Friedrich

- von Jürgen Roos -

 
München – Nach dem Rücktritt von Chef-Bundestrainer Rainer Hanschke am vergangenen Wochenende droht dem Deutschen Turnerbund (DTB) eine tiefe Krise: Die 14 Athleten des so genannten Athen-Kaders haben sich in einem gemeinsamen Brief an DTB-Präsident Rainer Brechtken gewandt, am Samstag soll in Berlin ein Gespräch mit Brechtken stattfinden, zu dem die Sportler aus ganz Deutschland anreisen wollen. Dass die Turner aus eigener Initiative das Gespräch mit ihrem Präsidenten suchen, dürfte in der Geschichte des DTB einmalig sein. Und es zeigt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem für den olympischen Spitzensport zuständigen DTB-Vizepräsidenten Eduard Friedrich sowie Sportdirektor Wolfgang Willam gestört ist.


Brechtken als Präsident gefordert...


Thema: Vertrauen


Erneut in der Kritik: "Vize" Eduard Friedrich

Friedrich, Willam und Hanschke hatten die Turner und deren Heim- Bundestrainer bei einem Lehrgang vergangene Woche in Kienbaum über die Pläne für die nächsten zwei Jahre bis zu den Olympischen Spielen in Athen aufgeklärt, die eine Konzentration auf die beiden Stützpunkte in Berlin und Stuttgart vorsehen.
Dass die Reaktion darauf so heftig ausfallen würde, hatte offenbar keiner erwartet. Die Turner teilten dem Cheftrainer Hanschke mit, dass sie das Vertrauensverhältnis schon seit einiger Zeit für gestört hielten, woraufhin dieser seinen Rücktritt einreichte. Die Kritik geht aber weiter und bezieht sich vor allem auf den Umgang des Vizepräsidenten Friedrich mit Athleten und Trainern. „Unterste Schublade“, lautete ein Urteil. Einige der Beteiligten sprechen bereits von einer Machtprobe. 
(>> ... siehe Lesermeinung im GYMforum)

Thema: Konzentration
„Ich hoffe, dass es keine Machtprobe wird, sondern eine Vernunftprobe“, sagt Friedrich, der in den vergangenen zwei Jahren mit Erfolg die Verjüngung des Nationalkaders betrieb. Mit dem Plan, die 14 besten deutschen Turner in Berlin und Stuttgart zusammenzuziehen, möchte der DTB-Vizepräsident Konkurrenz schaffen – und damit eine größere Leistungsfähigkeit für die WM im nächsten Jahr und die Spiele 2004 in Athen. „Das ist doch eine uralte Regel“, sagt er, „nichts ist der Leistung zuträglicher, als die besten Leute aufeinander zu hetzen – und zwar Tag für Tag.“ Die Kritik an seinem Konzept kontert Friedrich: „Wir haben jetzt einen Kader, der unheimlich entwicklungsfähig ist. Potenziell ist dieses Team sogar fähig, ganz vorne mitzumischen – mal abgesehen von den unerreichbaren Chinesen.“ Er wolle in die Köpfe bekommen, dass die Deutschen in Athen durchaus um die Plätze drei bis sechs mitturnen könnten.
    
(>> ... siehe Lesermeinung im GYMforum)
In Sydney hatte die DTB-Riege Platz zehn erreicht. Turner und Trainer dürften diese Ziele teilen, mit den Plänen aber sind sie nicht einverstanden. Die Sache ist heikel, weshalb sich nur wenige öffentlich äußern möchten. Hauptkritikpunkte sind die Furcht der Athleten, sie könnten aus ihrem gewohnten Sozial- und Trainingsumfeld gerissen werden – und natürlich die Stilfrage.

„Es gibt niemanden, der dafür ist. Kein Trainer und kein Athlet“, sagt Reinhard Rückriem, in Hannover Heimtrainer des Olympiakandidaten Sergej Pfeiffer. Weil er als Landestrainer beim Niedersächsischen Turnerbund angestellt ist, hat er keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Andere Heimtrainer halten sich bedeckt, weil sie beim DTB angestellt sind. Rückriem und seine Kollegen haben Denkfehler an Friedrichs Konzept ausgemacht. Dass die Turner sich am neuen Standort erst einmal einleben müssten, bringe Zeitverlust auf dem Weg nach Athen mit sich. Am meisten stört alle Beteiligten, dass die Athleten nach Berlin und Stuttgart abgeordnet würden, ohne vom Verband Perspektiven geboten zu bekommen. In Hannover, Cottbus, Halle und Chemnitz hätten sich vor allem die Älteren schon auf die Zeit nach der Sportkarriere vorbereitet – was in einer Randsportart wie Turnen kein Fehler ist.


Rückriem:
 Denkfehler am Konzept ...

Friedrich, früher selbst Bundestrainer und Sportdirektor, beharrt auf seinen Plänen und ist nun auf der Suche nach einem Teamchef, der das Zentralisierungskonzept realisieren soll. Über Stilfragen redet der Rostocker schon gar nicht mehr. „Die Krise ist da“, sagt Trainer Rückriem, „das Vertrauen ist weg, wir können mit Friedrich eigentlich nicht mehr zusammen arbeiten.“ Autor: Jürgen Roos

(Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 04.09.02; Hervorhebungen, Fotos u. Bildunterschriften: gymmedia)

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09-09-2002

Finanzielle Hilfe für Ortswechsel und "Wohngemeinschaften" für Turner

Im Streit um die Konzentrierung der besten deutschen Kunstturner an zwei Stützpunkten lenkte der Deutsche Turner-Bund (DTB) am Wochenende ein.
Bei einer Präsidiumssitzung in Berlin am Rande des Weltcups der Rhythmischen Sportgymnastik in der Max Schmeling-Halle wurde den anwesenden Aktiven finanzielle Hilfe im Fall eines Umzugs angeboten. Der Verband will an den Stützpunkten Berlin und Stuttgart Wohngemeinschaften einrichten und den betroffenen Athleten Umzugszuschüsse zahlen, teilte Vizepräsident Eduard Friedrich mit. Die 14 Turner, die derzeit den Olympia-Kader für 2004 bilden, bereiten sich bislang an sechs Stützpunkten in Deutschland vor. Die Weigerung der Athleten, nach Stuttgart oder Berlin umzuziehen, hatte vor einer Woche bereits zum Rücktritt des Cheftrainers Rainer Hanschke (Cottbus) geführt.

... lesen Sie auch: "Deutsche Turner auf Medaillenkurs...??? (Lesermeinung im GYMforum)
... siehe auch: BERLINER ZEITUNG vom 2.Sep 02: "Der mobile Athlet"

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(Fotos: gymmedia)

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