Sächsische Zeitung

Olympia ohne deutsche Turnerinnen 

Seit 44 Jahren, seit den Olympischen Spielen in Melbourne, wird in Sydney erstmals keine deutsche Turnerin am Start sein. Dagmar Fehrenschild (Hoffnungsthal) und Birgit Schweigert (Köln) hatten die vorgegebenen Normen des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) denkbar knapp verpasst.

Von Angela Geisler

Der frühere Fußball-Nationalspieler Paul Breitner, die Tennis-Königin Steffi Graf, natürlich die Turn-Legenden Klaus Köste, Maxi Gnauck, Dr. Karin Büttner-Janz und Eberhard Gienger sowie der Olympiasieger Andreas Wecker gehören zu den prominentesten Namen unter einer Petition im Internet. "Nominiert die beiden Turnerinnen für die Olympischen Spiele", forderte eine Agentur auf der Homepage www.gymmedia.com. Das NOK ließ sich von den mehr als 500 Unterschriften aus aller Welt nicht umstimmen. Es pocht auf die Ergebnisse der Europameisterschaft. In Paris war die 18-jährige Birgit Schweigert um 0,24 Punkte als Zwölfte an dem geforderten Rang zehn im Mehrkampf vorbei geturnt, der 16-jährigen Dagmar Fehrenschild fehlten am Stufenbarren sogar nur 0,06 Punkte zum notwendigen Final-Platz.

Christa Herrmann sieht in der Nicht-Berücksichtigung "eine Katastrophe für das deutsche Kunstturnen insgesamt". Die ehemalige internationale Kampfrichterin und Cheftrainerin beim SC Einheit Dresden (heute DSC) kann den Beschluss des NOK nicht fassen: "Das zieht doch Kreise bis in die Förderung, die jetzt noch weiter zurück gedreht wird". In Deutschland gibt es lediglich noch drei Zentren für das Kunstturnen der Frauen sowie vier Bundestrainer. "Die beiden Mädchen haben sich bis zum Schluss auf die Spiele vorbereitet. Dann einfach ´nein` zu sagen, ist unverschämt", macht sie ihrem Ärger Luft. Dabei denkt sie nicht nur an die Athletinnen, sondern auch an all die, die sich für das Turnen engagiert haben. "Das nimmt einem die Kraft, wenn man nicht mal die Unterstützung des eigenen NOK hat".

Die Dresdnerin ärgert sich darüber, dass Schweigert und Fehrenschild um eine Chance gebracht werden, Erfahrungen zu sammeln. Geteilt ist die Meinung unter früher erfolgreichen Kunstturnern. Martina Jentsch, die beim SC Einheit Dresden trainierte und 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul mit der DDR-Mannschaft Bronze gewann, zeigt Verständnis für die NOK-Entscheidung: "Es ist zwar traurig wenn keiner fährt", räumt die 32-Jährige ein, die heute in einer Cottbuser Boutique arbeitet. "Aber wenn sie keine Chancen auf Medaillen haben, können sie auch nicht zu Olympia." Man dürfe allerdings auch keine anderen Leistungen erwarten, wenn der Staat diese Sportart nicht unterstützt. "Früher wurden andere Prioritäten gesetzt. Das Turnen stand an erster Stelle, und die Schule wurde dem Leistungssport angepasst."

Der zweimalige Weltmeister Sylvio Kroll aus Cottbus, der 1988 in Seoul beim Pferdsprung und mit der Mannschaft Olympia-Silber holte, zeigt einerseits auch Verständnis für das NOK: "Wenn sie sportlich besser gewesen wären, gäbe es die Diskussion nicht. Die Kriterien wurden vorher aufgestellt." Andererseits sieht er eine unerwünschte Nebenwirkung: "Die Nicht-Teilnahme tut sicher der Entwicklung des gesamten Turnens nicht gut. Ich hoffe, dass die Trainer deshalb nicht die Liebe zum Turnen verlieren."

Der zweifache Straßenrad-Weltmeister Gustav Adolf Schur denkt zwar "mit Schaudern an die Turn-Prüfung zurück", die er als Student an der Leipziger DHfK absolvieren musste. Aber würde sich "notfalls noch einmal ans Reck zwingen, wenn die beiden Turnerinnen dadurch zu ihren Olympiafahrkarten gelangen". Schon 1956 in Melbourne, wo er selbst eine Medaille gewann, hätten die Australier eine hohe Meinung vom deutschen Turnen gehabt. "Sollen sie und alle Welt denken, dass die Deutschen nur kommen, wenn sie siegen können", fragt "Täve".

Enttäuscht reagierte der Internationale Turnerbund (FIG) auf die Absage aus Deutschland: Er lud die deutsche Kampfrichterin Inge Funk aus, die eigentlich in Sydney werten sollte.

Mit dem Kunstturnen der Frauen ging es in Deutschland kontinuierlich bergab. 1991 bei den Weltmeisterschaften in Indianapolis landete die erste gesamtdeutsche Mannschaft auf Platz zehn. "Der DTB feierte damals Orgien, weil die Mädchen vom 18. auf den zehnten Platz gerückt war, und wir haben geheult, weil wir vom dritten auf den zehnten Platz gerutscht waren", erinnert sich Christa Herrmann. In Atlanta 1996 ging schon keine Mannschaft mehr an die Geräte. Die Einzel-Turnerinnen Kathleen Stark und Yvonne verpassten den Sprung ins Finale der besten 36 Mehrkämpferinnen.  (Saechs.Zeitung)

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-schm-
17-SEP-2000

 

 

 

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