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LEIPZIG, 19. November.

Dem Pianissimo folgt das laute Knurren
- von Barbara Klimke

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Der neue Turner-Präsident Rainer Brechtken und Vizepräsident Eduard Friedrich fordern einschneidende Veränderungen

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Richthofen: "Mächtiges Crescendo..."

Eine Zeit lang schien es, als sollte die Mahnung ungehört verhallen. "Sie müssen einen langen Atem haben", rief Manfred von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sportbundes, den Abgeordneten des Turntages 2000 zu: "Sie müssen Akzente setzen, wenn Sie Spitzensport wollen." Dann, so versprach der oberste Sportfunktionär der Republik dem Plenum, "finden Sie nicht 2004, aber 2008 den Anschluss".
Eine lange ruhmlose Zeit sieht der DSB-Chef für den Deutschen Turner-Bund (DTB) voraus.

Das klang bei der feierlichen Eröffnung des Delegiertentreffens im Mendelssohn-Saal des Leipziger Gewandhauses ein wenig disharmonisch. Denn Richthofens mächtiges Crescendo blieb unerreicht. Es stand im Kontrast zum Pianissimo, das Jürgen Dieckert, der scheidende Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB), wählte. Dieckerts Traum ist eine Bürgergesellschaft, in der der
DTB Position bezieht. Spitzensport kommt in diesem Konzept gesellschaftlicher Verantwortung, bei dem sich "Olympioniken und die Koronargruppe" die Hände reichen, nur am Rande vor.
Den Delegierten, die in Leipzig 4,7 Millionen DTB-Mitglieder vertraten, ist diese Sicht der Dinge so fremd nicht. Jedenfalls ließen sie den Bericht zum Abschneiden des deutschen Olympia-Teams im Kunstturnen, Trampolin und in der Gymnastik passieren.

Nur zwei der 402 Abgeordneten fragten am Sonnabend bei der Arbeitstagung in einem Leipziger Hotel kritisch nach. Das war noch nicht die Streitkultur, die der neue Präsident Rainer Brechtken, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, für die Zukunft fordert.
Dass dem DTB, zumindest den Athleten, Diskussionen bevorstehen, darf jedoch als sicher gelten nach der Wahl von Eduard Friedrich zum Vizepräsidenten für das Ressort Olympischer Spitzensport. "Bedrohlich" sei das Abschneiden in Sydney gewesen, knurrte Friedrich, 62, ins Mikrofon, was das Plenum aus der gemütlichen Gelassenheit riss, mit dem es seinem Abstimmungsmarathon nachging.
Friedrich, Leiter des Olympiastützpunkts Rostock, forderte vor allem von den Kunstturnern, "die Trainingsumfänge dramatisch zu erhöhen". Verhätschelung werde es mit ihm nicht mehr geben, sagte Friedrich und erinnerte selbst daran, dass er früher, als er noch Cheftrainer der westdeutschen Turner, DTB-Sportdirektor und Direktor des Bundesausschusses Leistungssport war, der "Schleifer-Eddie" hieß - zu Unrecht übrigens, wie er findet. Sein Rat an die Trainer ließ an Deutlichkeit allerdings nichts zu wünschen übrig: "Trainer müssten ihr Programm hart durchziehen können und brauchen dafür Rückendeckung", sagte Friedrich und versprach: "Meine werden sie immer haben." Als disziplinarisches Vorbild für die Turner, Zehnte bei Olympia, gilt bis auf weiteres die Gymnastinnen- Gruppe, die zentral in Wattenscheid trainierte und in Sydney Platz vier belegte.

Foren und Eliteschulen An Trainingssteigerung als Ausweg aus der Misere glaubt auch der neue DTB-Chef Brechtken.

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Brechtken: "Will Köpfe rauchen sehen..."

Allerdings weiß Brechtken, dass dies im zeitintensiven Kunstturnen nur mit einer Änderung der Rahmenbedingungen zu erreichen ist. Jedem Olympiastützpunkt im Lande, so fordert Brechtken, müsste eine Eliteschule angegliedert sein. Finanzielle Grundförderung sei, etwa durch die Länder, langfristig zu planen. Vor allem will Brechtken eine breite Diskussion in jenen Fachverbänden des Spitzensports, bei denen sich die Probleme gleichen - eine Art Forum für Schwimmer, Leichtathleten und Kunstturner. Im Leistungssport harrt Arbeit auf den neuen Präsidenten.

Bis 2004 dürfte Brechtken damit ausgelastet sein - bei langem Atem auch bis 2008.

(Source: B.Klimke/Berliner Zeitung; Hervorhebungen: gymmedia; Fotos: Volker Minkus)

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