. |
1.Durchgang:
...zunächst starker Start der
deutschen Männer
Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung war Marius Toba der beste
Start-Turner am Pauschenpferd, den man sich wünschen konnte:
Sichere erste Übung gibt Sicherheit im Team, denn auch die beiden folgenden Berliner Dmitri
Nonin und Peter Nikiferow stellten sich ohne Fehler vor.
Auch wenn die Halle in der zweiten Gruppe nicht ganz so gut gefüllt war, wie am Morgen,
als nämlich die beiden australischen Einzelturner Rizzo und Istra
mit am Start waren:
Der Deutsche Mehrkampfmeister Sergej Pfeifer... |

|

Pfeifer - rittlings, rücklings...
|
...
hatte doch ein wenig olympisches Bauchkribbeln:
Im Wechselstütz während seiner gespreizten Kreisflanken rutschte er weg und fiel mit dem
Rücken aufs Pferd. Da dies aber der einzige Fehler der 5 Übungen war, blieb auch der
Schaden zunächst begrenzt, denn auch Andreas Wecker glaenzte mit einer
sicheren Uebung, bei der nur fuer das geübte Auge mal ein winziger Hüftwinkel und ein
leichtes Touchieren der Beine an einer Pausche den Herzrhythmus ein wenig erhöht haben dürften
- starke Startübung auch für Andreas, der nun mit Bangen an die Ringe blicken
wird, denn dort behinderte ihn die vor 2 Tagen aufgetretene Schulterentzündung (rechts)
am meisten... Goldaspirant
Russland startete mit
Neuling Maxim Alechin am Barren. Alexej Bondarenko stellte
sich mit einer sehr abwechslungsreichen Übung vor, machte nur 1 Schritt nach seinem
Doppelsalto gebückt, am Ende. |
Eine ganze Serie von Doppelsalti hatte Alexej Nemow
in seinem Vortrag - glänzte mit sicherem Stand. |
Ukraines Topstar, der Mehrkampf-Europameister Alexander Beresch
zeigte an den Ringen mehrere Guczoghy-Salti und beendete seinen Tsukahara gestreckt mit
ganzer Drehung mit einem kleinen Hüpfer. |
Die Japaner traten mit einer geschlossenen Leistung am Sprung auf und nahmen Kurs aufs beste
Resultat am ersten Gerät.
Die USA-Männer blieben im Erwartungsbereich mit
insgesamt technisch nicht überzeugenden Vorträgen am Boden
2. Durchgang
Nein - der russische Mehrkampfweltmeister Nikolai Krjukow war
noch nicht wieder der Alte, stürzte am ersten Gerät (Barren), auch am Reck begann er
relativ unsicher, zeigte unsaubere Handstanddrehungen nach der Senkrechten - gut dann sein
Gaylord-Salto (Salto vw. über die Stange), dann Jägersalto gestreckt und Abgang
gestreckter Tsukahara.
USA-Oldy John
Roethlisberger ist schon ein bemerkenswerter Mann mit seiner langen Erfahrung
seit Olympia 1992. Schön sein Querwandern mit geschlossenen Beinen und gestreckter Hüften
am Pauschenpferd, wenn es auch am ein wenig am offenen Arm-Rumpfwinkel mangelte, den die
ganz Grossen auf dem Pferdrücken virtuos zelebrierten.
So wie Alexej Nemow
schon hier im Mannschaftskampf auftrat, ist er der erste Mehrkampfgold-Anwärter: Erster
Kovacs, gehockt, dann 2 Riesenfelgen,zweiter Kovacs, gestreckt, absolut ausgeturnt, zwei
Riesenfelgen - dritter Kovacs, gestreckt, traumhaft - ein Raunen nach dem anderen
begleitete seinen Vortrag und eine förmliche Zuschauerexplosion beendete seine Übung mit
Doppel-Tsukahara gestreckt und der Winzigkeit eines Steps: 9,787 - der Spitzenwert des
Wettkampfes zu diesem Moment!!
Andreas Wecker hatte an den Ringen
die zu erwartenden Probleme:
Was für viele nicht sichtbar war, ihm aber gewaltige Schmerzen bereitete und
sich in der nicht ausreichenden Präsentation aller Krafthalten zeigte, schlug sich in den
Kampfrichterprotokollen mit einer indiskutablen 9,25 nieder. Es gelang ihm ohnehin nur,
statt einer 10,0-Übung nur einen Ausgangswert von 9,70 anzubieten....!
Wecker nach dem Wettkampf:: "Obwohl meine Schulterprobleme erst
diese Woche nach dem Podiumsdurchgang auftraten - ich schleppe dieses Ding bestimmt schon
einige Zeit mit mir herum. Mir scheint es, als schnappe immer das Schlüsselbein
schulterseitig aus dem Gelenk - unmöglich, die Krafthalten durchzuziehen...!"
Diese
Marius Toba ist ein Powerman:
Von allen Deutschen lieferte der Hannoveraner hier nicht nur die solideste Leistungen bei
all seinen Auftritten und war mehr als ein Ersatzmann, sondern an den Ringen blitzte die
Weltklasse des Ex-Vize-Europameisters an diesem Gerät auf: Ausgeturntes, volles
Programm, sicherer Stand nach dem gestreckten Tsukahara - der fast einzige Moment
noch, wo man sich über deutsche Turnleistungen freuen konnte. 9,70 Punkte, das war zu
diesem Zeitpunkt die drittbeste Ringewertung (- hinter Jowtschew/BUL und Tambakos/GRE) und
es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht einen Finalplatz bedeutete. Und
dabei sind Andreas Wecker (8.Reck in Seoul 1988) und Marius Toba (21. Mehrkampf, damals für
Rumaenien) weltweit die beiden einzigen, die von den Olympiafinals vor 12 Jahren noch übbriggeblieben
sind....! Höchste Anerkennung für beide Turner - wenn es auch gleichzeitig den traurigen
Zustand des deutschen Maennerturnens beschreibt - doch zu diesem Widerspruch später
mehr!) |

Marius Toba
(Hannover)
|
3. Durchgang
Das Sprunggerät war nicht nur das erwartet schwache Gerät - es war Katastrophe
und Blamage für den deutschen Turnsport! Hier - wo vor einem Jahrzehnt noch
deutsche Turner die Weltspitze bestimmten, wo - ein Sylvio Kroll nur um
Tausendstel Olympisches Gold verpasste, wo er Weltmeister war,
- ein Ralf Büchner mit höchsten Schwierigkeiten brillierte - hier
erlebten die deutschen Männer im Superdome bittere Minuten der Wahrheit:
Der eigentlich starke Springer Renè Tschernitschek stürzte nach
Doppelsalto dermassen nach vorn, dass er fast das Pferd umriss; Andreas Weckser verstolperte
die Landung seines Kasamatsu's, ...unsicher auch Dmitri Nonin mit
seinem eingesprungenen Rad-Vierteldrehung- Salto gestreckt...:
Das deutsche Team erhielt mit 36,999 Punkten die zweitschlechteste Geraetewertung, und
sollte nur noch von sich selbst, nämlich später am Boden unterboten werden...!

Alexej Nemow
|
Super-Turnsport dagegen wird von von den anderen geboten.
Unglaublicher Nemow!
Die Halle tobte förmlich beim Bodenvortrag des Weltmeisters Alexej Nemow:
Alles sauber und hoch und technisch brilliant geturnt - einfach glänzend, nicht die Spur
Hinweis auf "harten Bodenbelag" - das Argument aus der deutschen Riege!
Nemow demonstrierte dagegen die Leichtigkeit des Seins
und das mit dem charmantesten Lächeln der Welt!
Auch die Japaner zogen an:
Mit Team-Hoechstwertung von 38,687 vor den sich weiter steigernden USA-Männern an den
Ringen (38,211) knapp vor Russland (38,187).
Russland fuehrte aber weiter vor Ukraine, Japan, USA, dann Deutschland in dieser Gruppe. |
4. Durchgang:
Start-Turner Toba begann am Barren solide und turnte durch, Peter
Nikiferow zog sich eine Blessur an der rechten Körperseite zu, nachdem er bei
seinem Healy mit der rechten Hand im Stütz abgerutscht war. Pfeifer mit
guter Übung und einem Platz sogar noch unter den Top Five zu diesem Moment (?), Wecker
mit tiefer Landung nach dem Abgang, auch hier - besonders in Stütz- und Handstandphasen
wieder gehandicapt durch seine Verletzung, Nonin, solide, sicher......
Bondarenko wies auch am Pauschenpferd seine gute Verfassung im Kampf um
Einzelmedaillen nach, schön sein souveränes Wandern in allen Variationen und sein "Tong
Fei" am Pauschenpferdende...
Die USA-Turner flogen am
Sprunggeraet mit ihren Doppelsalti unerwartet hoch, waren technisch sauber
und landeten durchweg sicher - das war i h r Durchgang - drittbestes
Sprungergebnis nach Japan und Russland...
Bester Durchgang aber: Ukraine mit 38,774 am Reck, vor USA am Sprung (38,50), dann
Russland am Pferd (38,274).
5.Durchgang
Aus deutscher Sicht: Sergej Pfeifer fasst nach
Doppel-Tsukahara-Abgang auf, Rene Tschernitschek mit 2 mal "Def"
und Dreifachsalto, Nikiferow solide und durch...

Dmitri Nonin
|
Dmitri
Nonin mit schöner Uebung, exakt ausgeturnt, eine Unsicherheit beim Abgang
kostete ihm aber mit Sicherheit seine Finalchance!!
Reckolympiasieger Andreas Wecker hatte auch solide durchgeturnt, war aber
weit weg von der Brillianz und Aggressivität früherer Reck- Vorträge alter Zeiten und
nicht nur deswegen, weil der zweite Kovascsalto zu dicht an die Stange geturnt wurde...
Wecker selbst dazu: "Ich habe vorher schon gedacht, dass ich am Reck
noch 'was erreichen kann, ich denke, diese Hoffnungen waren aber spätestens nach
dem zweiten Kovacs-Salto flöten gegangen...!" |
Ex-Sprungweltmeister Sergej
Fedortschenko - Einzelstarter für Kasachstan - fiel positiv am Sprunggerät auf
und erhielt die zweitbeste Wertung für seinen wolkenhohen Doppelsalto - 9,775, knapp
hinter der Superwertung des Amerikaners Blaine Wilson mit 9,800
- der höchsten Wertung des gesamten Wettbewerbs, neben derselben von Nemow
am Boden.
Russland baut seine Führung zur Ukraine leicht aus, USA vor Japan, nun auf einem
erstaunlichen dritten Platz.. 6. Durchgang
Wer das deutsche Männerturnen kennt weiss, dass am letzten Gerät, dem Boden, keine
Leisstungssteigerung zu erwarten war, im Gegenteil:
Hier unterbot man noch das Sprungergebnis mit der schlechtesten Leistung aller
Mannschaften. Ausser dem Berliner Dmitri Nonin standen die anderen Turner
im wahrsten Sinne des Wortes neben der Matte, man hatte den Anschein, als wären das nur
11 statt der 12x12 Meter im Quadrat....! |

Blaine Wilson (USA)
|
Die Russen am Sprunggerät - alle in extremen Flughöhen, Bondarenko
als ihr Bester mit 9,75 schien sogar noch leicht unterbewertet, rangierte sich hinter
Wilson und Fedortschenko auf Rang drei ein...
Die Ukraine am Pauschenpferd ohne Fehler, sauber,
sicher....
Die USA-Männer landeten auf einem unerwartet gutem dritten Platz vor Japan, durch
Steigerungen im Bereich technischer Ausfuehrung und Stabilität und wesentlich verbessert
zu den Weltmeisterschaften vor 1 Jahr.

Superdom Sydney: Germany "down
under" !
|
Absolut "Down under",
auch wenn es weh tut:
Der deutsche Männerturnsport
erlebte in Sydney seinen absoluten Tiefpunkt in seiner bisherigen olympischen
Geschichte und setzte die stetige Abwärtsentwicklung
seit den Olympischen Spielen 1988 fort, wo das letzte deutsche DDR-Team noch um Gold kämpfte
und sich mit Silber vor der Geschichte verabschiedete....(- die "alte Bundesrepublik"
war da schon auf dem letzten Rang). Wer den Zustand des Eliteturnens in Deutschland
kennt, der weiss, dass es das "allerletzte Aufgebot" im wahrsten Sinne des
Wortes war, mit Marius Toba gerade noch der allerletzte Mann vor
Sydneyabflug re-aktiviert wurde, und dass dahinter nicht mehr viel steht. Um so
tiefer ist die Verbeugung vor den - pardon - "alten Männern" wie Toba und
Wecker und Nikiferow, deren individuelle Leistungsbeurteilung man deutlich von der
Gesamtkritik des Zustands des Spitzensports im Deutschen Turner-Bund trennen muss! |
Nun ist der 32jährige Familienvater Marius Toba vom TK
Hannover der wohl Einzige, der aus deutscher Sicht ein Gerätefinale erreichen wird.....!
Offen bleibt, ob man Andreas Wecker (19. Mehrkampf) überhaupt
in das Mehrkampffinale schicken sollte. Das wird erst in den Folgetagen entschieden. Der
momentan 6.Team-Platz ( - vor der letzten Gruppe), der das Erreichen des
Mannschaftsfinales bedeutet, ist das Papier nicht wert, auf dem er steht: China
sowieso, sicher auch Korea und Frankreich und auch die durch die EM hochmotivierten Rumänen
ziehen da wohl allesamt vorbei....
Nach der dritten und letzten Gruppe weiss man diesbezüglich
mehr.!
|