28. February 2004
Berlin / Deutschland
Happy Gymnastics
Deutsche Fitnesskultur - Ausstellung in Berliner Charite
Vom Körperkult zum Fitness-Wahn
Initiiert vom Schweizer Atelier 'Palma3' und dem Berliner Medizinhistorischen Museum findet derzeit in der Charité die Sonderausstellung 'Fitness. Schönheit kommt von außen' statt. Diese führt durch die Entwicklung des Körperkults im 20. Jahrhundert vom einstigen Jahn-Turnen bis zu heutigen Fitnessangeboten. Vergangenheit und Gegenwart der deutschen Bewegungskultur in Praxis und Theorie ...
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Der Übungsraum des legendären Kraft-Kunst-Instituts von Sportpionier Sacha Schneider, Dresden 1921
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In einer improvisierten Sporthalle kann man an modernen Geräten vorab schwitzen und überlegen, ob Fitness nun schön, gesund und glücklich macht..
Die Ausstellung dann setzt sich anschaulich mit der Geschichte der Fitness-Kultur auseinander - und zeigt ihre Entwicklung aus der Reformbewegung der Jahrhundertwende mit 'Licht- und Sonnenbädern', gymnastischen Übungen und Freikörperkultur ...
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Frauengesundheit: Sonnenbaden um 1900
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... über ihre nationalsozialistische Vereinnahmung durch die Nazi-Propaganda der so genannten 'Leibeserziehung' und ihre Nachkriegsgeschichte bis hin zu Arnold Schwarzenegger und Aerobic-Königin Jane Fonda.
Man erfährt zum Beispiel, dass der Däne J. P. Müller - ein Bestsellerautor und Fitness-Papst seiner Zeit - Gymnastikbücher für den Hausgebrauch verfasste, und dass selbst Franz Kafka 'gemüllert' haben soll. Ein anderer Sportpionier, der Dresdener Künstler Sascha Schneider, eröffnete 1919 sein 'Kraft-Kunst-Institut' mit dem Ziel, seine Zeitgenossen mit Leibes- und Kunstübungen zu 'besseren Menschen' heranzutrimmen. Die mit Kraftgeräten, Hantelanlagen und antiken Jünglingsskulpturen bestückte Trainingsstätte florierte...
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Modernes Turngerät um 1900 ...
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... doch dem stemmenden Publikum fehlte der Sinn für Kultur. Es blieb nur eine 'lockere Trainerbande', gestand der Künstler enttäuscht ein. Sportpioniere wie Schneider markieren den Beginn der modernen Fitness-Kultur. 100 Jahre nach Turnvater Friedrich-Ludiwg Jahn, der 1810 mit jungen Männern aus Protest gegen die napoleonische Fremdherrschaft in der Berliner Hasenheide öffentlich turnte, entwickelte sich aus der kollektiven Körperertüchtigung der neue Individualsport der modernen Großstadt.
Seit Jahrzehnten wird der Weg zum schönen und gesunden Körper systematisch ausgearbeitet. So beruft sich die heutige Fitnessbewegung auf erforschte Trainingsmethoden; Nahrungszusätze ergänzen und erweitern den Menüplan vieler sportlich Aktiver. Das Allgemeine aus Geschichte und Gesellschaftsforschung wird in der Ausstellung durch persönliche Standpunkte und Meinungen kontrastiert.
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Fitness extrem...: Muskelmann Schwarzenegger
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... und die Vielfalt von Turnen und Fitness heute
Fit und schön sein ist 'in'. Fitness ist zum unverzichtbaren Teil unserer Lebenskultur geworden. Aussehen und Wohlbefinden sind nicht nur zum Baustein der Selbstachtung geworden, sondern auch eine gesellschaftliche Forderung.
Der Begriff 'Fitness' gehört ganz selbstverständlich zu den Schlagworten der modernen Gesellschaft. Heute gehört Fitness zu den beliebtesten Freizeit- beschäftigungen: Nach Angaben des Deutschen Sportstudio-Verbandes zählen 6500 deutsche Sportstudios mehr als fünf Millionen Kunden.
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Kreativ aktiv und gesund im 21. Jahrhundert: Mit Pezzi-Ball, Flex-Band, Reifen, Fit-Step und mit Balance-, Dehn-, Kräftigungs- und funktionellen Übungen
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>>> Begleitend zur Ausstellung in der Charité ist
das umfangreiche Buch
FITNESS. SCHÖNHEIT KOMMT VON AUSSEN
von Andreas Schwab und Ronny Trachsel (Hrg.)
im Palma3 Verlag (Zürich) erschienen
und kostet 10 Euro.
(132 Seiten, ISBN 3-9522814-0-9)
Zu beziehen ist es über das Berliner Medizinhistorische Museum.
Quelle: Charité Berlin, Welt am Sonntag