19. March 2007
Leipzig
Gerätturnen
Erika ZUCHOLD - vom Turn-Weltstar zur Künstlerin
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Erika ZUCHOLD 'Herzlichen Glückwunsch!'
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Am heutigen 19. März feierte eine der größten und weltbekanntesten deutschen Turnerinnen ihren 60. Geburtstag.
Die Leipzigerin Erika ZUCHOLD war neben Karin Büttner-Janz und vor Maxi Gnauck eine der profiliertesten Persönlichkeiten des internationalen Turnens der sechziger und Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
Ob als erste Frau der Welt, die den Flickflack auf dem Balken wagte (1964), als Olympiazweite in Mexiko-City (1968) und München 1972, als zweifache Weltmeisterin 1970 in Ljubljana oder heute als bekannte Malerin, Bildhauerin und vielseitige Künstlerin - immer noch stellt diese kreative und sensible Frau höchste Ansprüche an sich selbst und geht an Grenzen der Erkennbarkeit der Welt....
ERIKA ZUCHOLD - vom Turn-Weltstar zur Künstlerin
Zum 60. Geburtstag einer außergewöhnlichen Frau
- von Eckhard Herholz
Als Turnerin sollte man robust sein. Sie aber wirkt sehr sensibel, verletzlich. Sie ist es auch. Sie ist sehr zielbewusst, fast akribisch, macht meist alles mit 100 Prozent. Dabei fordert sie sich selbst bis zur Schmerzgrenze, in allem, was sie tut, früher, wie heute....!
Alles fing schon in einem kleinen Dorfe an...
Vielleicht wurde sie so durch das sehr frühe und intensive Beschäftigen mit dem Turnen bereits im Kindesalter in ihrem kleinen Heimatort Lucka/Breitenhain, nahe Leipzig geprägt.
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Klein-Erika: ... schon mit 9 Jahren nicht zu bremsen!
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Turnen ist ja schließlich eine 100 %-Sportart – will man in ihr Gipfel stürmen.
<< So fiel schon Klein-Erika als sehr talentiert auf und startete bereits Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine unvergleichliche Weltkarriere.
Unter den damaligen Förderbedingungen des SC Leipzig stellte man sich schon früh den Anforderungen nach Weltspitzenmaß – die Sowjets bestimmten das damals, und die Tschechinnen noch, wie Eva Bosakova, Vera Caslavska.
Weit war man auch in der DDR damals noch von den viel bewunderten internationalen Größen des Frauenturnens entfernt, aber die Zielstellungen waren ehrrgeizig und konsequent, wenn auch die vorhandenen Mittel oft im krassen Gegensatz dazu standen: man machte das mit Begeisterung wett!
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... zu allen Zeiten: sensationeller Anspruch allen Tuns!
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Die Weltsensation...
Als die erst 17-jährike Erika Barth für die weltweite Sensation des ersten Flickflacks auf einem Schwebebalken sorgte und dann das schmerzliche und von deutsch-deutschen Politquerelen belastete Ausscheidungsturnen in Halle an der Saale gewann, galt sie weltweit als d i e herausragende Favoritin für die Olympischen Spiele 1964 – mindestens auf Augenhöhe mit deren späteren Heldinnen Caslavska, Latynina, Astachowa ...
...doch kurz vor Abreise nach Tokio zerstörte ein Achillessehnenriss die kühnsten aller Träume....!
Es waren auch viele Schmerzen, unter denen die seit ihrer Heirat mit dem Ex-Rad-Weltrekordler Dieter Zuchold (1967) und während ihres Lehrerstudiums (1965-69: Musik und Sport) sich wieder in die Weltspitze zurückkämpfende Erika Zuchold litt:
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Erika ZUCHOLD: Olympiasilber 1972, gemeinsam mit Olga Korbut, hinter Olympiasiegerin Karin Janz
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... zu Olympischen Silbermedaillen in Mexiko-City (1968) und München (1972) – dort gemeinsam mit der legendären Olga Korbut (URS) am Stufenbarren und zu ihren Weltmeistertiteln an Sprung und Balken (1970) in Ljubljana
Zumeist aber besiegte sie sich selbst, bekämpfte Schmerzen, die inneren Zweifel... dochdurchaus nicht nicht immer gleich erfolgreich....
Ob als Entertainerin mit Stepptanz und Gesang – so in solch großen TV-Shows wie „Kessel Buntes“ – oder bei ihrer ständigen Suche nach neuen, kreativen Herausforderungen der sich besonders für Natur begeisternden, reifenden Künstlerin:
Erika Zuchold behielt immer ihre sensible, aufrichtige Seele!
So nahm es nicht Wunder, dass das Scheitern des sozialistischen Gesellschaftsversuches DDR in ihr eine schmerzhafte Leere erzeugte. Nein, das Umschwenken - einfach so - das war nicht ihr Ding!
Dafür war sie stets viel zu ehrlich, innerlich mit Herz immer dabeigewesen – man wirft nichts emotional Erworbenes so einfach weg....!
Jahre der Nachdenklichkeit, des Verarbeitens und der Suche und Neuorientierung folgten.....!
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'Lebensbaum', Rochlitzer Porphyr E. Zuchold, 2004
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"Kultur aller Kultur ist die Kultur des Herzens"
Dies scheint ihr Credo zu sein, - oh, und dabei kann sie aber auch längst schon wieder zupacken! Nichts da von Sensibilitäten, wenn die Naturverbundene mit den Werkzeugen den Rochlitzer Porphyr behaut,
- i h r e n Weg der Steine setzt – Sensibiltäten entdeckt man dann wieder in den künstlerischen Endprodukten ihres kraftraubenden Tuns – und darin, wie sie die steinigen Lebenskurven im Reifeprozess einer vielseitigen Künstlerin meistert, als Bildhauerin, Malerin, Lyrikerin, die bei ihren beliebten Vernissagen auch gern und immer noch zu Zylinder, Stöckchen und Stepptanzschuhen greift.....
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2005: als dritte deutsche Turnerin 'Member of International Gymnastics Hall of Fame', Oklahoma-City
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Scheinen auch viele sportlichen DDR-Karrieren oft vom eigenartigen Gang nationaler Zeitenläufe und Blickwinkel betroffen und unterbelichtet – die Welt erinnert sich dieser Ausnahmeerscheinung:
2005 wurde Erika Zuchold nach Maxi Gnauck (2000) und Karin Büttner-Janz (2003) als dritte deutsche Turnerin überhaupt in Oklahoma-City in die „Hall of Fame“ des internationalen Kunstturnens aufgenommen.
Erika Zuchold scheint nun das Wesen der von ihr einst mit Akribie betriebenen, höchst anspruchsvollen und komplexen Sportart Kunstturnen in eine neue Dimension gehoben zu haben – in persönliche, imponierend variable Lebensphasen ästhetischer Verarbeitung als Künstlerin.
Kann man das Turnen schöner interpretieren als mit individuellen, künstlerischen Antworten auf so viele Fragen dieser komplexen sportlichen Disziplin?
Eckhard Herholz, GYMmedia
Eine stimmungsvolle Geburtstagsrunde
In der Gaststätte "Rosenknospe" in Quering, nördlich von Leipzig, war echt was los:
Gekommen waren viele ehemalige Wegbegleiter der Jubilarin Erika Zuchold, die ein gewaltiges, stimmliches Pensum absolvierte, um alle ihre Gäste mit Namen zu nennen und deren Platz in ihrer Biografie zu beschreiben:
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(c) GYMmedia, mit freundlicher Genehmigung von E. Zuchold
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Larissa , Erika und Viktor
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Das fing mit ihrer Mutti (87) an, ging über die sportlichen Begleiter ihrer unvergleichlichen Weltkarriere, wie Ute Kahlenberg-Starke, die erste deutsche Europameisterin (1961), Birgit Michailoff-Radochla, die erste deutsche Olympiamedaillengewinnerin (1964) oder ihre Teamkameradinnen Angelika Keilig-Hellmann, Margitta-Bauerschmidt, Ute Noack sowie die Trainer der legendären Leipziger Turnschule Dr. Ursula Gundlach, Roselore Sonntag, Helmut Gerschau, und viele, viele mehr....
Besonders gefreut hatte sie sich über den Besuch des Olympiasieger-Ehepaares Larissa Klimenko-Petrik und Viktor Klimenko die ehemaligen Vertreter der damals führenden sowjetischen Turnschule.
Ein unvergesslicher Tag einer jung gebliebenen Ex-Turnerin, die mit ihrer Lebenslust und vielen Ideen als Künstlerin noch viel vorhat.
- ehe -
Mehr dazu finden Sie auch auf der persönlichen Website der Künstlerin unter >>
www.erika-zuchold.de